Montag, 16. März 2009

Karneval - hinter den Kulissen

"el corso en Cochabamaba"

Weltgebetstag am 06.03.

Bolivianisch-deutsche Freundschaft

Mit Don Raúl auf dem Christo

Cochabamba-Panorama

Ach du mein lieber Karneval. Obwohl ich dich hier so lieb gewonnen habe, muss man doch noch einige Worte über dich verlieren! Denn auch, wenn die Fassade wunderschön ist, so bröckelt sie doch auch leicht und schnell, wenn man mal ein wenig hinter den ganz normalen Karnevalswahnsinn Boliviens schaut. „ Neben Wasserbomben gibt es auch noch einen Schaum, mit dem sich die Menschen, trotz Verbot, gegenseitig ansprühen und welcher mir, während wir auf Platzsuche waren, fast zum Verhängnis wurde“ (aus dem vorherigen Blog). Jetzt die Aufklärung: die Tribünen, die in Richtung Straße ausgerichtet sind, lassen hinter sich bis zur Häuserwand nur ca. einen Meter Platz, für alle Passanten, die Essen und Trinken, Plätze oder Wasserbomben kaufen wollen. Kurz nach der Ankunft in Oruro waren wir auf Platzsuche. Sogleich wurde ich mit eben jenem Schaum einige Sekunden lang von hinten angesprüht. Da ich mich nicht wehren konnte, immerhin war ich noch Schaum-unbewaffnet, setzte der Fluchtinstinkt ein und ich suchte einen Ausweg nach vorne. Hierbei stieß ich mit eben jener Frau zusammen, die im Begriff war, mich zu bestehlen und meine Bauchtasche schon geöffnet hatte. Diese Diebe sind schnell und gewandt, das ganze dauerte einige Sekunden. Beide Frauen, die Ablenkerin und die Diebin, waren unauffällig, mit Ponchos gegen Schaum und Wasserbomben gekleidet und in den vierziger Jahren. Der Zusammenstoß, ein Schubser, ein anklagender Schrei, ein Fluch und die Flucht der beiden, danach erst konnte ich anfangen, den Karneval zu genießen.

Im „corso“ bemerkt man trotz bunter Verkleidungen und guter Stimmung immer wieder Dinge, die den Gesamteindruck ein ganz wenig trüben. Trotz des allgemeinen Alkoholverbotes, das auch „streng“ von der Polizei kontrolliert wird, wird natürlich Bier in Massen getrunken, so kommt es auch, dass auf der Straße immer wieder Dosensammler zu sehen sind, die zwischen den Beinen der Zuschauer durchkriechen, um sich mit den Dosen etwas zu verdienen. Natürlich sind an allen Ecken auch immer bettelnde Personen zu sehen, die jedoch auch oft von der Polizei „entfernt werden“. Durch den Alkoholkonsum werden Schlägereien provoziert und es kommt zu Auseinandersetzungen mit den Polizisten, die auch von der breiten Masse immer weniger respektiert werden und ausgepfiffen und mir diskriminierenden Gesängen eingedeckt werden. Gesänge: Nicht nur Polizisten müssen leiden, sondern auch „cambas“ (Bewohner des Osten Bolviens), die Bewohner Pandos und ganz besonders Evo Morales.

Ein Wort zu Wasserbomben: Es ist ein großer Spaß, doch der hört mit Gewalt und übertriebenem Spiel auf. Besonders Mädchen und Frauen haben oft zu leiden. Sie werden ganz besonders gern und stark abgeworfen und oftmals sind die Wasserbomben sehr hart und hinterlassen blaue Flecken. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass es auch nicht angenehm ist, eine ins Auge geworfen zu bekommen. In dieser Zeit wäre es gut, mit Helm auf die Straße zu gehen.

Auf der Rückfahrt von Oruro nach Cochabamba dann der nächste Schrecken. Nachts fuhr ich wieder zurück und dabei hatte ich Lebensängste auszustehen, denn der Fahrer des Surubi, Vans, die den ganzen Tag zwischen den Staädten hin- und herpendeln, war ziemlich müde, zu müde für meinen Geschmack! Nur Gott weiß, was passiert wäre, wenn wir Passagiere, allesamt nüchterne und gute Leute, ihn nicht ständig gescholten hätten und ich nicht, in einer Phase, in der bis auf mich wohl alle im Auto im Halbschlaf oder Schlaf waren, der Fahrer eingeschlossen, geschrien hätte, denn wir rasten gerade mit hoher Geschwindigkeit auf ein langsam fahrendes Auto zu. Zwischenzeitliche Stopps in einem Cholita-Bordell und einer Kneipe, erfüllten ihren Zweck, den Fahrer mit Vergnügen und Bier wieder aufzuwecken zu wenig, sodass die 3,5Std Fahrt zu einer Tortur wurden, von der wir erst erlöst wurden, als der Fahrer von einem Wechsel überzeugt werden konnte.

Doch das Schlimmste am Karneval sind sicher die Füße der Tänzer, nach 12Std tanzen am Stück.


Weltgebetstag


Am Freitag, den 06.03, war Weltgebetstag und in guter Tradition wurde dieser bei Warmi auch mit einem Treffen begangen. Einiges aus dem diesjährigen Text über Papua Neu Guinea wurde vorgelesen und Elena, meine Chefin, hat einiges zur Situation Warmis und über die Auswirkungen einiger politischer Entscheidungen auf das Projekt gesagt. So ist die Sendung von Lebensmitteln aus den USA für viele Projekte in Bolivien seitens der Regierung unterbrochen und letztlich der Vertrag der Sendungen aufgelöst worden, da man in Bolivien keine Unterstützung in Form von Lebensmitteln benötigt wird. Unmittelbare Konsequenz ist, dass allein in Cochabamba schon mindestens 30 Projekte um ihr Überleben kämpfen, da diese Unterstützung fehlt – das Traurige ist, dass das Schicksal von mindestens 3000 Kindern davon abhängt. Auch Warmi ist davon betroffen, jedoch ist glücklicherweise nicht die Existenz des Hortes bedroht. Nichtsdestotrotz wird die Administration auf eine harte Probe gestellt, da nun das Fehlende anders besorgt werden muss. Zudem wird für Warmi ab 2010 eine Spende aus den Niederlanden in Höhe von 10000$us, die bisher einen Großteil der jährlichen Ausgaben gedeckt hat, wegfallen, da es im Testament des Förderers bis zu diesem Jahr festgeschrieben war und nun von den Erben entschieden wurde, die Spende nicht weiterlaufen zu lassen. Dies sind nur zwei Herausforderungen, denen sich Warmi zu stellen hat. Höhere Rohstoffpreise für die Seifenherstellung und ein trauriges und schwerwiegendes persönliches Problem, von dem ich jedoch aus Respekt vor der betroffenen Person nicht schreiben werde, sind andere.

Trotz allem ist es jeden Tag wieder eine Freude, sich morgens auf den Weg zu machen, um die Kinder und Frauen des Projektes wiederzusehen und mit ihnen gemeinsam zu lachen, sprechen und den Tag zu verbringen.

Montag, 2. März 2009

El carnavalero

Oruru I

Una diablada en Oruro

Bailarina de Tinku, yo, Bailarina de Tinku


Ein Karnevalssonntag (voher)

...und durchnässt (danach): Carol, Vicho, Marina, Nicole, Estefanie, yo, Nano

Cochabamba I

Caporales in Cochabamba


Bunt, laut, freudig, traditionell und anders – das ist der Karneval Boliviens. Am vergangenen Samstag, den 21. Februar, bin ich nach Oruro gereist, der Stadt in welcher der größte und beste Karneval des Landes stattfindet – nach Rio de Janeiro der zweitgrößte Südamerikas. Ich stand also um 5Uhr morgens auf, um gegen 10Uhr im Andenstädtchen Oruro zu sein, einer sonst tristen, grauen und leeren Stadt. Doch in diesen Tagen des Karnevals transformiert sie sich in das verrückte Zentrum der bolivianischen Festtage. Ich kam also an und das erste, was man tut, ist einen Plastik-poncho zu kaufen, da der ganze Tag eine einzige Wasserbombenschlacht der sich gegenüberliegenden Tribünen ist, an denen der „corso“ vorbeizieht. Neben Wasserbomben gibt es auch noch einen Schaum, mit dem sich die Menschen, trotz Verbot, gegenseitig ansprühen und welcher mir, während wir auf Platzsuche waren, fast zum Verhängnis wurde.
Zu Beginn des Umzugs sitzt man noch und klatscht nur mit den wild tanzenden und springenden Gruppen, die auf der Straße vorbeiziehen. Doch je länger der Tag wird, desto mehr wird auch auf den Tribünen – die einfache Holzbretter sind – getanzt, gesungen und gefeiert. Es war wahrlich ein Fest. Die traditionell gekleideten Tänzer – mal mit ein Meter hohen Federhüten, mal mit 8cm hohen Holzschuhen (auch Männer), mal als Bären, mal mit kurzen Röckchen, mal mit Glitzer, aber immer bunt, mit einem Lächeln auf den Lippen und mit vielen Tanzschritten bzw. -sprüngen-, die Kapellen – immer mit einfachen Rhythmen, die nur so zum Tanzen und Klatschen einladen, immer einheitlich gekleidet, immer laut und immer mit erschöpften, aber freudigen Gesichtern (die Trommler sind oft froh, wenn mal einer derjenigen Zuschauer, die auf der Straße tanzen und feiern, soweit sie nicht von den Polizisten zurück hinter die Absperrung geschickt wurden, ihnen das Instrument abnimmt und voller Freude, aber meistens falsch, loslegen und spielen)-, einfach alles war einzigartig und voller freudiger Emotion!
Auch Cochabamba war bis Dienstag, denn es gab allgemeines Karnevalsfrei, im Ausnahmezustand. Wasserbombenschlachten wo man auch hinschaute und viele Feiern. Diesen Samstag, den 28. Februar, ja erst nach Aschermittwoch, endete der bolivianische Karneval hier in Cochabamba mit dem Umzug der Saison, was von den Cochabambambinos nicht zu knapp zelebriert wurde. Es war ein einziger Freudentaumel, ein Fest voller Gesänge, Tänze und lachender Menschen – und ich mittendrin!