Donnerstag, 2. Juli 2009

Zurück in die Zukunft

Es kommt mir noch wie gestern vor, also ich gerade mein Zeugnis bekommen hatte und schon wenige, ganz wenige Tage später in ein Flugzeug stieg, welches mich bis nach Südamerika bringen sollte. Es ist, als ob ich mein Hinreise im Zeitraffer noch einmal erlebe, ich bin in meiner Vergangenheit, nur andersherum. Als erste, zentrale und letzte Station meines wundervollen Auslandsjahres steht Paraguay und alles wird umrundet von Bolivien, einem faszinierenden Land, in dem ich so viel gelernt, entdeckt und erlebt habe. Es war die beste Entscheidung meines bisherigen Lebens meinen Zivildienst in Bolivien abzuleisten! Das, was dieses Jahr ganz besonders für mich gemacht hat und was mein Leben prägen wird, sind die Menschen, die ich in dieser so langen und doch gleichzeitig so dermaßen kurzen Zeit kennenlernen durfte, mit denen ich Zeit verbracht habe und an deren Leben ich teilhaben durfte. Die Reisen, die zusätzlich einzigartige und wunderbare Erfahrungen und Erlebnisse darstellen, waren „nur“ das i-Tüpfelchen, denn, auch wenn man auf Reisen schnell und leicht mit unbekannten Leuten aus der ganzen Welt in Kontakt kommt und somit ganz viele Geschichten hört und Erfahrungen teilt, so sind sie doch keineswegs mit einem Leben in einem anderen gesellschaftlichen Umfeld, in einem anderen Land zu vergleichen, denn dieses gibt einem so viel mehr als nur als Tourist eine Stippvisite in den unbeschreiblichen Regionen Südamerikas zu machen ohne wirklich an dem täglichen Leben teilnehmen zu können.

Ich bin traurig. Traurig darüber, all das wieder hinter mir lassen zu müssen, was mir innerhalb eines Jahres so sehr ans Herz gewachsen ist, traurig meine Familie und Freunde für unbestimmte Zeit nicht mehr sehen zu können, traurig, dass das Jahr so schnell vorbeigegangen ist. Aber in gleichem Maße wie ich meine Abreise bedauere, so sehr freue ich mich doch auch gleichzeitig auf meine Familie, meine Freunde und mein zu Hause in meiner Heimat. Ich habe mich sehr wohl gefühlt in Bolivien und Paraguay, aber es geht doch nichts über das eigene Heim, mit all den Dingen, an die man gewöhnt ist und die man nicht mehr Wert zu schätzen weiß, wenn man sie im täglichen Gebrauch um sich hat.

Es ist ein komisches Gefühl nach so langer Zeit wieder in das gewohnte Umfeld zurückzukehren, denn mittlerweile ist dieses Umfeld nicht mehr ganz so gewohnt. Es bringt eine gewisse Angst mit sich, denn ich möchte all die Dinge, die ich in diesem Jahr gelernt und kennengelernt habe, nicht wieder verlieren, wenn mich die Heimat zurück hat. Es ist falsch zu sagen, dass ich durch dieses Jahr mehr Lebenserfahrung oder eine größere Weltsicht habe, denn all die Menschen, die in Deutschland geblieben sind, haben keinen Nachteil, nur weil sie ihren Zivildienst nicht im Ausland geleistet haben. Nein, ich habe andere Erfahrungen in einem anderen, neuen Umfeld gemacht, die mich persönlich weiterentwickeln lassen haben und mir mir vielleicht eine andere Sicht auf die Welt erlauben, wofür ich sehr dankbar bin, aber einen Vorsprung habe ich dadurch keineswegs erlangt. Da das, was vormals so vertraut war, sich am Anfang sicher ein wenig fremd anfühlen wird, habe ich mir vorgenommen, nicht all die südamerikanische Lebensweise, die man sich innerhalb dieses Jahres als normal angewöhnt, nicht wieder ganz loszulassen und, um mal ein Beispiel zu nennen, mich nach den ersten zwei Wochen Aufenthalt in Deutschland schon wieder über die deutsche Bahn zu ärgern, die zwei Minuten Verspätung hat oder gar fünf, um nicht zu sagen zehn! Doch viel wichtiger als dies ist die Herzlichkeit, die ich vermissen werde, aber nicht mehr aus meinem Leben verbannen will oder auf eine solch distanzierte Weise, wie sie in Deutschland ganz normal ist, praktizieren möchte. Wir brauchen mehr Wärme, mehr liebe Worte, mehr Lachen! Es muss Farbe in das deutsche gesellschaftliche Leben kommen, andere neue Farben und nicht nur die, welche sich schon seit Jahrzehnten bewährt haben. Aber ich will nicht, schon vor meiner Ankunft Kritik üben, nicht im Geringsten. Jetzt, kurz vor dem Abflug nach Frankfurt, sind da nur die Erinnerungen und die Vorurteile, die sich einem, trotz Patriotismus und Heimatliebe, anheften, denn die Realität hier ist eine andere. Wir müssen froh darüber sein, in solch privilegierten Verhältnissen aufgewachsen sein zu dürfen, denn sie vereinfachen das Leben in nicht zu messendem Verhältnis, doch wir sind keine besseren, schlaueren oder weiter entwickelten Menschen, wir sind nur anders aufgewachsen und erzogen worden.

Ich danke all meinen Sponsoren, meiner Familie, meinen Freunden und all den anderen Menschen, die mich in diesem Jahr nicht vergessen haben, so wenig wie auch ich euch nicht vergessen habe und es nie tun werde. Mein Jahr war eine Bereicherung für mein Leben und ich freue mich sehr darauf schon sehr bald wieder bei euch zu sein, denn so sehr ich auf will, so viele Wurzeln und Freundschaften ich auch in und nach Südamerika habe, ich bin Deutscher, ein angepasster Fremder in der Gesellschaft des anderen Kontinents und ich kann es mittlerweile, hier am Flughafen in Sao Paolo sitzend, auch nicht mehr erwarten, wieder inmitten von euch zu sein!


(Der Text wurde in Sao Paolo auf dem Flughafen verfasst, bin wieder gut und heile angekommen!)

Freitag, 26. Juni 2009

En el chapare

Riesenschaukel, diese hier ist noch klein, gab aber bis zu 12m Höhe

Auf dem Weg ins chapare

In der Mine in Potosi

Dynamit der Minenarbeiter

Der "cerro rico" im Hintergrund

Im Salar auf dem Tunupa (5060m über Meereslevel)

Salaaaaaaaaaaaaaaaaaar

In der Kälte Uyunis

Feier in Warmi zum 25-jährigen der Produktion

(vergrößern)

(das hier auch) ist alles der Salar

Hier nur die Fotos zu meinen letzten Erlebnissen. Für Text ist keine Zeit...aber mir geht es gut, ich bin gerade in Paraguay und bald zurück!!!

Mittwoch, 3. Juni 2009

Machu Pichu





descanso im Dschungel mit Shaha und Udi



(mit Doppelklick vergrößern!)

(bitte vergrößern)
Putucusi(quechua) = fröhlicher Berg

Das Lama und der Esel

zu Besuch bei Tante Gloria in Cusco

Monolit im halb unterirdischen Tempel

Tihuanacutempel


Bolivien und Peru sind Brüder so wie ich und du, geht man von einer auf die andere Seit, entdeckt man alles im selben Kleid. Ein strahlend blauer See verbindet die Länder und so verschwimmen ihre Ränder, gäb es den Stempel im Reisepass nicht, fragte man sich: „Auf welcher Seite bin ich eigentlich?“ Hügelig, mit wenig Vegetation, und anscheinend dennoch ein guter Ort zum Wohnen, auf vielen tausend Metern Höh´ lebt es sich so ruhig wie vielerorts weiter unten nicht. Einfache Häuser, davon viele noch in Bau, machen den Beobachter auch nicht schlau, denn eisige Kält, vor allem nachts, hat sicher schon viele um den Schlaf gebracht. Man sieht Schafe, Alpacas und auch Lamas, manche weiß, manche braun, manche schwarz wie die Nacht. Heu, zum Trocknen aufgestellt, gibt neben arbeitenden cholitas ein idyllisches Bild. Die Erde liegt brach, alle paar hundert Meter ein Haus, doch die Menschen machen das Beste daraus. Copacabana hinter uns und Puno im Blick, wird keine Neuigkeit publik: Der Weg soll weiter nach Cusco führen, um dort die Schuhe für Machu Pichu zu schnüren.... (Rede war vom Altiplano)
Am Sonntag Morgen früh ging es los, die Vorfreude war riesengroß, zuerst schnell in den Bus gesetzt und auf dem Fahrrad den Berg hinuntergehetzt, eine wunderbare Landschaft um uns herum, ließ die Gruppe als Betrachter verstumm´, oben noch war es ziemlich kalt, doch es wurde wärmer bald, denn je weiter wir nach unten kamen, desto mehr auch die Temperaturen abnahmen, nach 43km war dann Schluss und so setzten wir uns wieder in den Bus, denn Dusche und Schlaf waren ein Muss. An Tag zwei stand ein Marsch auf dem Programm, durch den Urwald und durch Schlamm, wir haben in den acht Stunden kaum gesessen und waren doch für Mücken ein gefundenes Fressen, 23km bergauf und bergab, dich wir machten auf dem „camino del inca“ trotzdem nicht schlapp. Am Abend ein Bad in thermalen Quellen, ließ die Füße langsam abschwellen. Ein halber Tagesmarsch auf Schienen, sollte der Entspannung dienen, doch wenn man 7km auf Holzlatten stiert, wird man vor allem hypnotisiert. In Aguas calientes angekommen, wurde sofort der nächste Berg erklommen. Man konnte oben auf dem „Putucussi“ stehen und schon Machu Pichu zu sehen. An Tag vier ging es früh raus, das ist normal ein wahrer Graus, doch musste man um 4 Uhr aufstehen, um nach Machu Pichu zu gehen. Ein magischer Ort, fast komplett erhalten, ließ jeden Beobachter innehalten, Ruinen in einem riesigen Tal, was mit oft den Atem stahl. Man konnte gewissermaßen spüren, wie Inkas dort ihr Leben führen. Ich kletterte auch auf den Huaynach Pichu hinauf, denn von dort hat man eine tolle Sicht auf Machu Pichu drauf. Der Tag ging viel zu schnell vorbei und Machu Pichu und ich gingen wieder entzwei. Auf dem Weg heim nach Cochabamba, stieg ich aus mitten in der Pampa, denn auf dieser Tour, machte ich Stopp bei der Tihuanacu Kultur, diese, fast 3000 Jahre alt, lebte im „altiplano“ und dort ist es kalt, derzeit gräbt man alte Tempel aus der Erde, damit die Erinnerung wieder lebendig werde. Dies war ziemlich interessant, auch wenn hier nicht mehr so viel stand.
Jetzt bin ich zurück in Cocha, in der Stadt des rio Rocha, die letzte Woche in Warmi beginnt und die Zeit verrinnt und verrinnt.

Dienstag, 12. Mai 2009

Zu Gast in Sucre

Mal wieder bloqueo (23.04)

...währenddessen die Polizei gemütlich Eis aß und sich ausruhte

las cunas con Doña Maria

Unsere Vorschulkinder

Ein Teil der Großen

Nationalmannschaft Warmis

Sucre!

Gräber des Friedhofes

....da rauchts, hab aber trotzdem verloren, 3 mal :(

Nationalmannschaft der Freiwilligen

Schuften für die neue Maschine (s.u.)

Sucre, Hauptstadt Boliviens, war Schauplatz des zweiten Treffens aller deutscher Freiwilligen der Hermandad in Bolivien. Eine illustre Runde, mit der wir, da es bei den meisten, aber ganz besonders bei mir, schon langsam aber sicher dem Abschied entgegengeht, über Erlebnisse, Erfahrungen und persönliche Veränderungen reflektiert haben. Sucre war dabei ein mehr als angenehmer Gastgeber. Die „kleine“ Stadt, in welcher der Kolonialstil vergangener Jahrhunderte noch sehr schön erhalten wurde und nicht, wie in den meisten anderen bolivianischen Großstädten, dem Druck der Gebäude, dem Verkehr, der Werbung, der Schnelligkeit, Hektik und Unruhe des 21.Jahrhunderts nachgegeben wurde, schaffte mit ihren Hügeln und engen Gassen eine vertrauliche Atmosphäre für das Treffen, nur dass man die Stadt leider nicht ausreichend kennenlernen konnte, da dafür dank Gesprächsrunden in geschlossenen Räumen mit, der Sonne wegen, zugezogener Vorhänge kaum Raum bestand. Doch das, was man aus dem Wiedersehen mitnimmt, sind weniger die Ergebnisse des selbigen, als vielmehr die Freundschaften, die tolle, zufriedene, andere, lachende Zeit, die man mit den anderen Freiwilligen verbringt. Wir sind wie eine Familie, wenn wir uns auch kaum sehen und jeder in seinem Projekt und Dorf oder Stadt mehr mit sich selbst beschäftigt ist, als mit dem großen Ganzen der Gruppe, aber das macht dieses Zusammenkommen zu etwas ganz Besonderem, da man sich schon lange darauf freut und dann merkt, dass man so viel gemein hat. In den Gesprächen außerhalb der großen Gruppe waren vor allem die Spuren, die dieses Jahr in uns allen hinterlässt und die auch wir hinterlassen, das Thema. Schon mit dem Blick zurück nach Deutschland gerichtet stellt man sich so viele Fragen, da man, abgesehen von Gedanken, die sich um Zukunft, Studium und dergleichen drehen, sich hier ein eigenes Leben geschaffen hat und dieses nicht aufgeben möchte, da man sich fragt, wie man in der deutschen Gesellschaft, die so anders zu der bolivianischen ist, schnell oder je wieder zurechtfindet oder ob dieses Jahr ganz schnell wieder aus dem Kopf verschwindet und man sich dem deutschen Trott, der so steif und gleichtaktig ist sofort wieder anpasst und nur noch im Herzen und auf dem Papier mal ein Jahr in Bolivien war...

Auch in Warmi gab es zuletzt große Veränderungen! Eine neue Maschine zur Seifenherstellung wurde gebraucht gekauft, ein italienisches Modell, welches mehr und schneller produzieren soll, als die beiden bisherigen, speziell angefertigten, Maschinen. „Die Neue“ ist ein riesiges blaues Monstrum, die, mit ihrem Gewicht von sicher zwei Tonnen, nicht nur schwer zu bewegen war, großes Gerät (ein Kran) und viele starke Hände waren nötig, um sie überhaupt zu bewegen, sondern auch die Frauen des Projektes schwer beeindruckte. Ich zitiere: „UUUUUUI, UIIII, so eine große Schraube, UUUI! Die frisst auch unsere Arme, wenn wir nicht aufpassen. UUUUUUI“ (Anm. d. Red.: Schraube um Rohseife in eine Richtung zu befördern, um dann Stücke pressen zu können.) oder etwas wie: „UUUUI, das wird ein Spaß, wenn du dich nicht benimmst, stecken wir dich da rein Tobi!! HAHAHAHA“ -.- Als Operation „blaue Maschine“ am Freitag, den 08.05. abgeschlossen war, herrschte nicht nur große Erleichterung, sondern auch Vorfreude , das neue Gerät auszuprobieren, doch damit muss noch bis Montag gewartet werden.




Mittwoch, 15. April 2009

Hungerstreik

Alfredo, Joel, Marcelo, Gualberto y yo

Aniversario de Elena y Raúl Jiménez

Deutscher VW aus dem Jahre 1969!

Gründonnerstag

Käsespätzle am Karfreitag

Leider ein Sinnbild für Bolivien

Was gibt es nicht angenehmeres als ein langes Wochenende und wenn es dazu noch ein Osterwochenende ist, so bedeutet das, besonders in Bolivien, zwei Dinge: Kirche und Essen! Die Woche wurde mit dem vergangenen Palmsonntag, den 05.04., eingeleitet. Die kleine Kirche des beliebten padre Hugo platze in der Abendmesse aus allen Nähten und fast alle wedelten fröhlich mit einem Palmenkreuz oder einer sonstigen Figur aus Palmenzweigen. Am Gründonnerstag, den ich von Warmi aus schon frei bekommen habe, da dort auf Grund einer cucaracha- (auch chulupi oder Kakerlake) Plage alles chemikalisch behandelt wurde, machte ich abends einen weit verbreiteten Brauch mit: das Besuchen von 14 Kirchen! Symbolisch läuft man damit die 14 Leidensstationen Christi ab, doch der Pilgerer selbst muss in dieser Zeit nicht leiden. Das Besuchen der Kirchen besteht aus einem Rundgang und einem Gebet in der Kirche, um dann gleich zur nächsten weiterzugehen. Alles in allem bin ich in dieser Nacht acht Kirchen abgegangen, was ca. 5km Fußmarsch entsprach. Da die Bolivianer jedoch Menschen mit gesundem Hunger sind, gab es an jeder Ecke, besonders dort, wo viele Kirchen nahe beieinander stehen und somit auch sehr viele Gläubige unterwegs sind, ganz viele Leckereien! Man wurde regelrecht belagert von Gerüchen und Verführungen. Ich blieb jedoch standhaft und naschte nahezu nichts.
Den darauf folgenden Karfreitag ist es Brauch 12 Gerichte zu essen, den zwölf Aposteln gedenkend. Die Kunst ist, dies an nur einem Mittagessen zu tun. Es werden also so viele Teller wie möglich vorbereitet, damit man so viel verschiedenes, wie der Magen aushält zu sich nehmen kann. In der Nacht des Karfreitags habe ich dann mit Carol, Vicho und den beiden schwäbischen Freiwilligen aus Warmi, das typische Karfreitagsessen Baden-Würtembergs zubereitet und verspeist: Käspätzle! Am Samstag stand dann das Reste-essen und ein Geburtstag auf dem Programm, sowie am Sonntag die Ostermesse und ein ruhiger Nachmittag.
Ein Mensch in Bolivien aß jedoch während all der Feiertage keinen Happen und ging auch nicht zur Kirche: Evo Morales. Der „Präsident“ des Landes ist in einen Hungerstreik getreten, um ein Gesetz auf den Weg zu bringen, mit dem er im Dezember des Jahres erneut zum Präsidenten gewählt werden kann. Die Methoden seinen Willen durchzusetzen und viele seiner Entscheidungen steigern sich von Mal zu Mal an Fragwürdigkeit. Bereits jetzt hat er einen tiefen Keil des Rassismus durchs Land getrieben, den er dank seiner Politik immer weiter malträtiert und ausweitet. Die politische Situation Boliviens und die Situation vor allem der Menschen, besonders die der Armen, hat sich nicht verbessert und jeden Tag beschweren sich an allen Ecken und Enden alle Menschen über das Leben. Doch sie lieben ihr Land und hoffen, dass die Ungerechtigkeit, die nicht beseitigt, sondern nur verlagert wurde, irgendwann einmal aufhört, doch das dies in naher Zukunft geschieht ist, besonders bei genauer Betrachtung der Geschehnisse, Ereignisse, Entscheidungen und Lage nicht zu vermuten – leider!

Montag, 16. März 2009

Karneval - hinter den Kulissen

"el corso en Cochabamaba"

Weltgebetstag am 06.03.

Bolivianisch-deutsche Freundschaft

Mit Don Raúl auf dem Christo

Cochabamba-Panorama

Ach du mein lieber Karneval. Obwohl ich dich hier so lieb gewonnen habe, muss man doch noch einige Worte über dich verlieren! Denn auch, wenn die Fassade wunderschön ist, so bröckelt sie doch auch leicht und schnell, wenn man mal ein wenig hinter den ganz normalen Karnevalswahnsinn Boliviens schaut. „ Neben Wasserbomben gibt es auch noch einen Schaum, mit dem sich die Menschen, trotz Verbot, gegenseitig ansprühen und welcher mir, während wir auf Platzsuche waren, fast zum Verhängnis wurde“ (aus dem vorherigen Blog). Jetzt die Aufklärung: die Tribünen, die in Richtung Straße ausgerichtet sind, lassen hinter sich bis zur Häuserwand nur ca. einen Meter Platz, für alle Passanten, die Essen und Trinken, Plätze oder Wasserbomben kaufen wollen. Kurz nach der Ankunft in Oruro waren wir auf Platzsuche. Sogleich wurde ich mit eben jenem Schaum einige Sekunden lang von hinten angesprüht. Da ich mich nicht wehren konnte, immerhin war ich noch Schaum-unbewaffnet, setzte der Fluchtinstinkt ein und ich suchte einen Ausweg nach vorne. Hierbei stieß ich mit eben jener Frau zusammen, die im Begriff war, mich zu bestehlen und meine Bauchtasche schon geöffnet hatte. Diese Diebe sind schnell und gewandt, das ganze dauerte einige Sekunden. Beide Frauen, die Ablenkerin und die Diebin, waren unauffällig, mit Ponchos gegen Schaum und Wasserbomben gekleidet und in den vierziger Jahren. Der Zusammenstoß, ein Schubser, ein anklagender Schrei, ein Fluch und die Flucht der beiden, danach erst konnte ich anfangen, den Karneval zu genießen.

Im „corso“ bemerkt man trotz bunter Verkleidungen und guter Stimmung immer wieder Dinge, die den Gesamteindruck ein ganz wenig trüben. Trotz des allgemeinen Alkoholverbotes, das auch „streng“ von der Polizei kontrolliert wird, wird natürlich Bier in Massen getrunken, so kommt es auch, dass auf der Straße immer wieder Dosensammler zu sehen sind, die zwischen den Beinen der Zuschauer durchkriechen, um sich mit den Dosen etwas zu verdienen. Natürlich sind an allen Ecken auch immer bettelnde Personen zu sehen, die jedoch auch oft von der Polizei „entfernt werden“. Durch den Alkoholkonsum werden Schlägereien provoziert und es kommt zu Auseinandersetzungen mit den Polizisten, die auch von der breiten Masse immer weniger respektiert werden und ausgepfiffen und mir diskriminierenden Gesängen eingedeckt werden. Gesänge: Nicht nur Polizisten müssen leiden, sondern auch „cambas“ (Bewohner des Osten Bolviens), die Bewohner Pandos und ganz besonders Evo Morales.

Ein Wort zu Wasserbomben: Es ist ein großer Spaß, doch der hört mit Gewalt und übertriebenem Spiel auf. Besonders Mädchen und Frauen haben oft zu leiden. Sie werden ganz besonders gern und stark abgeworfen und oftmals sind die Wasserbomben sehr hart und hinterlassen blaue Flecken. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass es auch nicht angenehm ist, eine ins Auge geworfen zu bekommen. In dieser Zeit wäre es gut, mit Helm auf die Straße zu gehen.

Auf der Rückfahrt von Oruro nach Cochabamba dann der nächste Schrecken. Nachts fuhr ich wieder zurück und dabei hatte ich Lebensängste auszustehen, denn der Fahrer des Surubi, Vans, die den ganzen Tag zwischen den Staädten hin- und herpendeln, war ziemlich müde, zu müde für meinen Geschmack! Nur Gott weiß, was passiert wäre, wenn wir Passagiere, allesamt nüchterne und gute Leute, ihn nicht ständig gescholten hätten und ich nicht, in einer Phase, in der bis auf mich wohl alle im Auto im Halbschlaf oder Schlaf waren, der Fahrer eingeschlossen, geschrien hätte, denn wir rasten gerade mit hoher Geschwindigkeit auf ein langsam fahrendes Auto zu. Zwischenzeitliche Stopps in einem Cholita-Bordell und einer Kneipe, erfüllten ihren Zweck, den Fahrer mit Vergnügen und Bier wieder aufzuwecken zu wenig, sodass die 3,5Std Fahrt zu einer Tortur wurden, von der wir erst erlöst wurden, als der Fahrer von einem Wechsel überzeugt werden konnte.

Doch das Schlimmste am Karneval sind sicher die Füße der Tänzer, nach 12Std tanzen am Stück.


Weltgebetstag


Am Freitag, den 06.03, war Weltgebetstag und in guter Tradition wurde dieser bei Warmi auch mit einem Treffen begangen. Einiges aus dem diesjährigen Text über Papua Neu Guinea wurde vorgelesen und Elena, meine Chefin, hat einiges zur Situation Warmis und über die Auswirkungen einiger politischer Entscheidungen auf das Projekt gesagt. So ist die Sendung von Lebensmitteln aus den USA für viele Projekte in Bolivien seitens der Regierung unterbrochen und letztlich der Vertrag der Sendungen aufgelöst worden, da man in Bolivien keine Unterstützung in Form von Lebensmitteln benötigt wird. Unmittelbare Konsequenz ist, dass allein in Cochabamba schon mindestens 30 Projekte um ihr Überleben kämpfen, da diese Unterstützung fehlt – das Traurige ist, dass das Schicksal von mindestens 3000 Kindern davon abhängt. Auch Warmi ist davon betroffen, jedoch ist glücklicherweise nicht die Existenz des Hortes bedroht. Nichtsdestotrotz wird die Administration auf eine harte Probe gestellt, da nun das Fehlende anders besorgt werden muss. Zudem wird für Warmi ab 2010 eine Spende aus den Niederlanden in Höhe von 10000$us, die bisher einen Großteil der jährlichen Ausgaben gedeckt hat, wegfallen, da es im Testament des Förderers bis zu diesem Jahr festgeschrieben war und nun von den Erben entschieden wurde, die Spende nicht weiterlaufen zu lassen. Dies sind nur zwei Herausforderungen, denen sich Warmi zu stellen hat. Höhere Rohstoffpreise für die Seifenherstellung und ein trauriges und schwerwiegendes persönliches Problem, von dem ich jedoch aus Respekt vor der betroffenen Person nicht schreiben werde, sind andere.

Trotz allem ist es jeden Tag wieder eine Freude, sich morgens auf den Weg zu machen, um die Kinder und Frauen des Projektes wiederzusehen und mit ihnen gemeinsam zu lachen, sprechen und den Tag zu verbringen.

Montag, 2. März 2009

El carnavalero

Oruru I

Una diablada en Oruro

Bailarina de Tinku, yo, Bailarina de Tinku


Ein Karnevalssonntag (voher)

...und durchnässt (danach): Carol, Vicho, Marina, Nicole, Estefanie, yo, Nano

Cochabamba I

Caporales in Cochabamba


Bunt, laut, freudig, traditionell und anders – das ist der Karneval Boliviens. Am vergangenen Samstag, den 21. Februar, bin ich nach Oruro gereist, der Stadt in welcher der größte und beste Karneval des Landes stattfindet – nach Rio de Janeiro der zweitgrößte Südamerikas. Ich stand also um 5Uhr morgens auf, um gegen 10Uhr im Andenstädtchen Oruro zu sein, einer sonst tristen, grauen und leeren Stadt. Doch in diesen Tagen des Karnevals transformiert sie sich in das verrückte Zentrum der bolivianischen Festtage. Ich kam also an und das erste, was man tut, ist einen Plastik-poncho zu kaufen, da der ganze Tag eine einzige Wasserbombenschlacht der sich gegenüberliegenden Tribünen ist, an denen der „corso“ vorbeizieht. Neben Wasserbomben gibt es auch noch einen Schaum, mit dem sich die Menschen, trotz Verbot, gegenseitig ansprühen und welcher mir, während wir auf Platzsuche waren, fast zum Verhängnis wurde.
Zu Beginn des Umzugs sitzt man noch und klatscht nur mit den wild tanzenden und springenden Gruppen, die auf der Straße vorbeiziehen. Doch je länger der Tag wird, desto mehr wird auch auf den Tribünen – die einfache Holzbretter sind – getanzt, gesungen und gefeiert. Es war wahrlich ein Fest. Die traditionell gekleideten Tänzer – mal mit ein Meter hohen Federhüten, mal mit 8cm hohen Holzschuhen (auch Männer), mal als Bären, mal mit kurzen Röckchen, mal mit Glitzer, aber immer bunt, mit einem Lächeln auf den Lippen und mit vielen Tanzschritten bzw. -sprüngen-, die Kapellen – immer mit einfachen Rhythmen, die nur so zum Tanzen und Klatschen einladen, immer einheitlich gekleidet, immer laut und immer mit erschöpften, aber freudigen Gesichtern (die Trommler sind oft froh, wenn mal einer derjenigen Zuschauer, die auf der Straße tanzen und feiern, soweit sie nicht von den Polizisten zurück hinter die Absperrung geschickt wurden, ihnen das Instrument abnimmt und voller Freude, aber meistens falsch, loslegen und spielen)-, einfach alles war einzigartig und voller freudiger Emotion!
Auch Cochabamba war bis Dienstag, denn es gab allgemeines Karnevalsfrei, im Ausnahmezustand. Wasserbombenschlachten wo man auch hinschaute und viele Feiern. Diesen Samstag, den 28. Februar, ja erst nach Aschermittwoch, endete der bolivianische Karneval hier in Cochabamba mit dem Umzug der Saison, was von den Cochabambambinos nicht zu knapp zelebriert wurde. Es war ein einziger Freudentaumel, ein Fest voller Gesänge, Tänze und lachender Menschen – und ich mittendrin!