Sonntag, 24. August 2008

Tagesablauf




Da sich mittlerweile eine gewisse Routine eingeschlichen hat und ich an alles, was hier in Bolivien so vor sich geht, nun schon ziemlich gut gewöhnt bin, wage ich es mal einen typischen Tagesablauf zu erstellen.

Meine Arbeit beginnt so gegen 10 Uhr morgens, bolivianischer Zeit. Es ist also halb so wild, wenn ich auch mal etwas später ankomme, was sich ab und zu nicht vermeiden lässt, denn die Trufis kommen nie zu festen Zeiten, weshalb ich auf den, der mich zu Warmi bringt, oft auch mal 15 bis 20 Minuten warten muss. Wenn ich ankomme, dann sind nur die Kleinsten da, also die bis Drei-jährigen und die bis Fünf-jährigen, die aber beide Betreuung haben und auch eine „profesora“, die ihnen Vokale, Zahlen, Farben, Koordination oder Benehmen beibringt. Um diese Uhrzeit wird auch eine „merienda“, das ist Obstsalat, Fruchtsaft oder eine Banane, von mir ausgeteilt. Manchmal spiele ich also mit den Kleinen, aber meistens bin ich mit Efrain, einem 21 Jahre alten Arbeitskollegen und der Bibliothekar von Warmi, in der Bibliothek und wir organisieren ein wenig. Zur Zeit ist es unsere Aufgabe, die unendliche Spielesammlung von Warmi zu übersetzen (eher mein Part) und auszuprobieren. Ja, das bedeutet, dass ich morgens spiele! Gegen 12.30 Uhr kommen dann die Größeren aus der Schule direkt zu Warmi. Sie können sich erst noch ein wenig austoben aber wenn es dann ungefähr 13.15 ist, dann müssen sie ihre Hände waschen, da es bald darauf Mittag gibt. Es werden also Reihen vor dem Eingang zum Essensraum gebildet und wenn sich alle beruhigt haben, dann darf eingetreten und gebetet werden. Ich serviere dann Sopa de Mani (Erdnusssuppe), Reisgerichte, Nudelgerichte, Kartoffelgerichte und ein „refrezco“ (Getränk). Meist gibt es auch noch eine Vitamintablette aus der medizinischen Abteilung dazu, welche die Ernährung, die bei Warmi schon ziemlich komplett ist, noch ergänzt. Nun ist spielen angesagt oder ausruhen, je nachdem, was die Kinder gerade bevorzugen. Um 15.00 beginnt dann die Hausaufgabenhilfe. Von mir werden diejenigen ab der 5. Klasse bis zur 8. Klasse unterstützt, aber auch Ältere, die Fragen zu Mathe oder Englisch haben, kommen zu mir. Nach eineinhalb Stunden wird erstmal wieder gespielt und um 16 Uhr gibt es Tee mit Brot, das bei Warmi frisch gebacken wird, lecker, um danach wieder zu spielen oder zu lesen. Denn Lektüre ist Pflicht bei Warmi, da die Kinder zu Hause meist überhaupt nicht lesen. Wer nicht liest, darf am Freitag, an dem es keine Hausaufgaben gibt, nicht mit auf den Fußballplatz, auf den Spielplatz oder Video gucken. Um 17.30 mache ich Feierabend.

Dienstag, Samstag und Sonntag habe ich jetzt Leute zum Fußballspielen gefunden, Hobbytruppen. Auf Beton, Sand und Steinen und einmal auf Rasen kann ich daher spielen. Den Rest der Abende verbringe ich mehr oder weniger spontan. Auf die Cancha (ein riesiger Markt), Freunde treffen oder ins Kino, je nach Lust und Laune.

Sonntag, 17. August 2008

Zu Besuch bei der Mutter Gottes


















Entgegen meiner Erwartungen und der meiner Gesprächspartner über politische Themen, ist die Lage in Bolivien ruhig, was mich in nicht unerheblichem Maße freut. Wurde noch vor dem Referendum vor einer Welle der Gewalt und einem eventuellen Bürgerkrieg gewarnt, so ist doch davon bisher kaum etwas zu hören oder gar zu spüren. Kleinere Zwischenfälle in denen es zu Auseinandersetzungen kam, waren bisher alles was passiert ist. Evo wurde mit überraschender Mehrheit gewählt und hat ca. 60% der Gesamtstimmen erhalten. Er hat die Wahl in fünf departamentos verloren und in vier gewonnen, dies allerdings mit klarer Mehrheit. Die departamentos der so genannten „media luna“ (Halbmondbundesländer), dieser Name wird aus der geographisch-astronomischen Form abgeleitet, die sie zusammen Formen, es sind die departamentos des östlichen Teils Boliviens, haben ihn nicht gewählt, sondern lediglich ihre prefectos im Amt bestätigt. Diese haben am Abend dieses Sonntags dann auch gleich verkündet, dass dieses Referendum endgültig gezeigt hat, dass die Autonomie, welche sie anstreben, nun endlich ausgerufen werden wird. Das ist der einzige Punkt an dem noch eine wirkliche Gefahr für eine weitere Destabilisierung des Landes durch Gewalt droht, zumal beispielsweise der prefecto von Santa Cruz Evo Morales als Mörder bezeichnet hat, womit er meint, dass Evo die Schuld an den Toten wegen politischer Auseinandersetzungen trägt. Die Zeitungen sind immer voll mit politischen Auseinandersetzungen der politischen Führer, ruhig ist die Lage nicht, aber sie scheint zumindest nicht mehr explosiv.



An diesem Wochenende war die „fiesta de Urcupiña“. Es ist eine Pilgerreise, der Menschen aus ganz Südamerika nachkommen und die direkt hier in Cochabamba stattfindet. Insgesamt kommen wohl 20000 bis 30000 Gläubige, um an dieser fiesta teilzunehmen. Auf einem Berg in der Nähe Cochabambas ist nämlich einem Mädchen die Mutter Gottes, die heilige Jungfrau Maria, erschienen. Am Donnerstag den 14. ging es mit einer „entrada“ los. Ein Straßenzug in Quillacollo (Dorf in der Nähe der Stelle wo sie erschienen ist) wurde mit Tribünen und Stühlen an den Seiten aufgebaut, durch welchen dann Musik- und Tanzgruppen des ganzen Landes gezogen sind, um typische und traditionelle Tänze zu präsentieren. Es waren ungefähr 25°C in der Sonne und auch auf den Tribünen, die mit Tüchern überspannt waren, also ein wenig Schatten boten, war es doch recht warm!! Die Tänzer trugen die wildesten Kostüme und haben geschwitzt wie die .... naja, wie sie halt geschwitzt haben. Bei den meisten Tänzerinnen bestand das Kostüm aus einem sehr kurzen Rock, andere Tanzgruppen, bestehend aus cholitas, trugen die typischen polleras in vielen Lagen. Ich weiß jetzt übrigens wo das Sprichwort „alles tanzt nach meiner Pfeife“ herkommt. Die Vortänzer der einzelnen Gruppen haben, um die Musik der Kapellen zu übertönen, Pfeifen benutzt, um die neuen Schritte anzukündigen!

Am Samstag dann war die „caminata“, sprich die Pilgerwanderung, die von Cochabamba in das 14km entfernte Quillacollo führt. Aber das ist nicht alles, denn bis zu dem Berg auf dem sie erschienen ist, sind es noch einmal 4km! Es war also um 2.30 Uhr aufstehen angesagt, damit man um 6.30 Uhr in Quillacollo ist, um dort die Messe zu hören, bei welcher die Leute Kerzen für ihre Familien und Freunde anzünden. Es war ein Gottesdienst unter freiem Himmel, da die gesamte „plaza“ vor der Kirche voll mit Menschen war. Danach gab es lecker „api con pastel“ zum aufwärmen, was ein recht zähflüssiges, zimtiges, heißes, süßes und nahrhaftes Getränk mit einer mit ein wenig Käse enthaltenden, frittierten Teigmasse ist, denn nachts werden es hier, es ist ja schließlich Winter, auch mal gerne 10°C. Als nächstes sind wir (ich und einige Freunde) auf den Berg geschlichen, was auf Grund der Menschenmassen nicht anders möglich war. Dort oben nehmen die Leute Steine mit, die als Talismane Geld repräsentieren, also das, was man im nächsten Jahr verdienen will. Aber auch kleine Autos oder Häuser werden dort errichtet und gesegnet, denn auch diese Wünsche soll die Jungfrau Maria den Gläubigen erfüllen. Einzige Bedingung: man muss alles, vor allem die Steine, im nächsten Jahr wiederbringen! Denn das Geld gilt nur als geliehen. Es werden auch Scheine verkauft: Bolivianos, Dollar und Euro, je nach dem, was man will. Der Wechselkurs war sehr gut und ich war gewillt mein Geld zu tauschen, immerhin hätte ich für einen Boliviano 2000$ bekommen!!! Alles sehr imposant und bewegend, da man eine gewisse Spannung und Freude in der Luft spürt, da alle Menschen mit der gleichen Idee an diesen Ort kommen und man den Glauben gewissermaßen zu spüren vermag. An „chicharron und chicha“ dem typischen Gericht Cochabambas, bestehend aus gebratenem Schwein und gegorenem Maissaft, kam ich an diesem Tag nicht vorbei....lecker!

Sonntag, 10. August 2008

Exkurs



Schwierig bis explosiv. So könnte man die derzeitige politische Lage Boliviens beschreiben. Am 10.August ist Stichtag, ein Bürgerreferendum zu den Fragen ob Evo Morales (Präsident) und die Präfekte (vergleichbar mit unseren Ministerpräsidenten) in ihren Funktionen weiterarbeiten dürfen. Man mag sich jetzt fragen: Wieso denn das? Ich dachte der Morales ist der erste indigene Präsident, der den Wandel bringt und den Armen hilft...

Mit dieser Einstellung kam auch ich nach Bolivien, doch Fakt ist, dass die wenigsten wichtigen Handlungen und Informationen von und über Morales das Land verlassen. Er ist ein Indigener, zwar mit spanischem Namen, aber was solls, und ehemaliger Anführer der Coca-Bauern. Was nicht nach außen dringt ist, dass er weder Quechua noch Aymara (und er ist Aymara) spricht und auch nur schlechtes Spanisch. So schlecht, dass mir schon attestiert wird, zumindest grammatikalisch, besser zu sprechen als der Präsident des Landes. Sein Vorhaben die indigene Bevölkerung zu stärken und zu fördern, hat einen bisher ungekannten Rassismus im Land erzeugt. Waren früher alle einfach nur Bolivianer unterscheiden sich die Bevölkerungsgruppen jetzt in Ureinwohner, Landbevölkerung und Stadtbevölkerung. Aber das ist nicht alles, denn ein normaler Umgang der Gruppen miteinander scheint nicht gegeben zu sein, nicht mehr. Es kommen Diskriminierungen und sonstige Benachteiligungen oder Konflikte vor, welche die Einheit des Landes nicht gerade fördern, was man auch in den Autonomiereferenden einiger departamentos (etwa: Bundesländer) sehen kann.

Er hat den Wandel angekündigt und ist auch fleißig dabei neue Ideen in Gesetze umzusetzen. Das Problem dabei ist, dass er dabei nur bedingt an die Demokratie denkt. Gewinnt er das Referendum, so ist auch gleichzeitig -laut ihm- seine neue Konstitution durch das Volk bestätigt. Diese Konstitution besteht aber größtenteils aus einer Vergrößerung seiner Machtbefugnisse und Rechte. Er kann länger Präsident sein, er erhebt Steuern von 2,5% auf alle Ersparnisse, welche die Menschen auf den Banken haben und auch sonst beseitigt die „neue Staatsordnung“ weniger bestehende Probleme, als dass sie eher Evo den Rücken stärkt und die Opposition schwächt. Die Leute sagen, er will so etwas wie ein Diktator werden. Früher, als er noch nicht Präsident war und Anführer der Opposition, hat er mit der COB (Central Obrera de Bolivia – etwa: Zentrale Gewerkschaft der Arbeiter Boliviens) anscheinend mehr als häufig durch Blockaden der großen Autobahnen und Streiks versucht, seine Ziele durchzusetzen und das zum Teil monatelang! So war vor drei Jahren das Reisen zwischen den Städten lange unmöglich, wenn Morales einige Städte monatelang blockierte. Ein Beispiel der Auswirkungen: Früher war Cochabamba das Zentrum für Hühnerzucht ganz Boliviens, da das Klima und wenige Krankheiten die Zucht begünstigten. Aus allen anderen departamentos, wie z.B. Santa Cruz, wurde Küken nach Cochabamba gebracht. Während der Blockaden sind tausende der Küken umgekommen, da die LKWs, die sie hierher bringen sollten, weder vor noch zurück konnten, da Cochabamba blockiert war. Die Zucht wurde also nach Santa Cruz verlegt, da man diese Verluste vermeiden wollte.

Die Menschen haben Evo also gewählt, da sie an den Wandel, den er bringen wollte, geglaubt haben. Fakt ist, dass jetzt, ganz aktuell, wieder ständig bloqueos und huelgas (z.B. ein Lehrerstreik-->daher sind jetzt immer alle Kinder den ganzen Tag bei Warmi) stattfinden, denn die Leute sagen, dass sie von Evo gelernt haben, ihre Interessen auf diese Art und Weise durchzusetzen. Das lähmt natürlich noch stärker und vor allem die Zukunft des Landes, die Jugend, kriegt das zu spüren. Staatliche Schulen und Universitäten werden seit zwei Wochen bestreikt! Und ganz im Wahlkampf verspricht Evo auf allen Seiten das meiste, was gefordert wird oder zumindest Teile davon, obwohl er eigentlich sicher weiß, dass er das, was er sagt, nicht halten kann. Gewinnt er aber das Referendum, so ist er ja bestätigt und bleibt wohl erst einmal über Jahre im Amt und das ist natürlich das Wichtigste! Wie immer und überall halt - MACHT!

Dem Land geht es schlechter als vor seiner Regierungszeit. Die Wirtschaft ist geschwächt und eine Inflation sucht das Land heim. Die Armen werden noch ärmer, da sie jetzt für vieles das Doppelte zahlen müssen. Fünf Brote kosteten noch vor eineinhalb Jahren einen Boliviano. Heute kosten zwei Brote dasselbe und das ist natürlich nicht nur auf diesem Gebiet so – alles ist teurer geworden und alle kriegen es zu spüren, denn auch für die Mittelschicht wird das Leben durch gestiegene Ausgaben, schwieriger. Zudem kriegt so auch der politisch weniger orientierte Teil der Bevölkerung stark die Konsequenzen der Politik zu spüren. Reis, Mehl, Gas und Diesel sind rar, daher gibt es Schlangen an allen Verkaufsständen, die diese Waren preisbieten. Intellektuelle und Bevölkerung sind sich eingig, dass das Land noch nie zuvor eine derart schwere Krise erlebt hat. Das kommt daher, da sie in Politik und Wortschaft wütet.

Chavez, Präsident Venezuelas und anscheinend gut befreundet mit Evo, schenkte Bolivien oder besser gab Evo 50Millionen Dollar. Das Geld hat Evo verteilt, sagt er zumindest, bei den Menschen kommt dieses Geld allerdings nicht an. Weder durch Aufträge noch durch andere Investitionen. Das Geld wurde an die Bürgermeister gegeben, welche, ganz nach ihrem Gutdünken, entscheiden konnten, ob sie das Geld investieren oder einfach beim nächsten Mal Evo wählen...

Evo wirft der Opposition vor Gelder zu verschwenden, indem sie illegale Referenden finanzieren. Seine extreme Wahlpropaganda lässt er natürlich außen vor...Das Referendum bringt die Entscheidung, aber selbst diese Bürgerabstimmung ist stark umstritten, denn Evo hat es einfach angesetzt, obwohl die Opposition der Meinung ist, dass dieses der Verfassung widerspricht, denn es wurde ein spezielles Gesetz dafür erlassen! Selbst wenn mehr als 50% der Bolivianer Evo nicht mehr wollen, bleibt er im Amt. Sein Gesetz besagt, dass er erst gehen muss, wenn mehr als 54% NEIN sagen. An diesem Sonntag ist es soweit und keiner weiß, was ab Sonntag Abend oder Montag hier los ist, denn Anhänger Evos und Oppositionelle haben sich, z.B. in Santa Cruz, schon Straßenduelle geliefert, während die Polizei übrigens mehr oder weniger nur zuguckte und erst spät bis gar nicht eingriff. 33 Tote sind das Resultat bisher!

Eigentlich sollte der Text jetzt lauten: „In Cochabamba ist es bisher ruhig! Bis auf die Tatsache, dass alle Gespräche, ob nun mit mir oder unter Bolivianern nach spätestens einer halben Stunde auf die Politik und die Situation des Landes fallen. Ungewissheit und Verdruss haben sich längst breit gemacht und die Hoffnungen der meisten liegen darin, dass Evo das Referendum verliert, auch wenn sie keine Vorstellung haben, was danach kommen soll. Denn Bolivien hat erst eine Zeit der ständigen Wahlen von Präsidenten (von 2002 bis 2005 gab es vier jener Staats-Repräsentanten) hinter sich.“ Aber die bloqueos haben jetzt auch in die Stadt gefunden. Daher konnte ich am Dienstag, den 05.08 kaum zur Arbeit und musste einen Großteil des Weges zu Fuß zurücklegen. Durch die Straßenblockaden der Lehrer und Arbeiter hindurch. Die Fotos habe ich vorsichtshalber aus größerer Entfernung geschossen, da ich kein Risiko eingehen wollte und die Streikenden nicht herausfordern wollte.

Die Informationen und Meinungen sind der bolivianischen Presse, dem Fernsehen (derzeit alles voll mit Wahlpropaganda, wie auch die Innenstädte) und der Bevölkerung entnommen! Ich will hier keine Stellung beziehen, sondern habe versucht, einigermaßen neutral das wiederzugeben, was ich an Tatsachen, Eindrücken und Wissen vermittelt bekommen habe oder im tagtäglichen Leben erfahre.

Donnerstag, 7. August 2008

Bolivientag einmal anders





Seit meiner frühesten Jugend -denn ich bin mittlerweile schon sehr, sehr alt- kenne ich Bolivientage. Das sind Treffen von Bolivianern, Freunden Boliviens, sowie Unterstützern. Man isst bolivianische Köstlichkeiten, unterhält sich und hört sich Vorträge an. Das habe ich jetzt jeden Tag, aber gestern war dennoch ein spezieller Bolivientag! Es war „Día de la patria“, also Tag des Vaterlandes. Im Vorfeld dieses Feiertages wurden in der ganzen Stadt Fahnen verkauft und die meisten Häuser haben sich auch mit den Landesfarben geschmückt. Der 06.08. ist ein arbeitsfreier Tag, an dem Paraden, so genannte „desfiles“, durch die Stadt ziehen. Es ist mit unserem Schützenfest vergleichbar, nur dass hier das Militär vorneweg marschiert und hinten drein keine Sportvereine kommen, sondern Schulen, traditionelle Vereinigungen und natürlich Spielmannszüge! Das Militär ist besonders herausgeputzt, wie man auf den Fotos sicherlich auch sieht und zu meiner Überraschung kam dann auch die singende Marine vorbei. Ja, Bolivien hat eine Marine. Die Bolivianer haben zwar den Titicacasee, aber es fehlt an einem Meerzugang. Früher, vor dem Salpeterkrieg gegen Chile und Peru, der von 1879-84 andauerte, hatte das Land noch einen Zugang zum Pazifik, da konnte man also noch Marine gebrauchen, aber heute ist nur noch durch Verträge geregelt, dass Bolivien einige Schiffe am Meer haben darf. Keine Flotte versteht sich und auch keine Kriegsschiffe -so jedenfalls mein Informant-, aber es reicht anscheinend, um die Marine zu erhalten. Unerwarteterweise waren die Militärs auch keine „Zwergenarmee“, so wie man sich das bei den Südamerikanern und Hochländlern der Anden vorstellen mag, sondern alles stattliche Jungs, die ganz unbolivianisch meist über 1,80m maßen. Es kam dann auch noch der Präfekt von Cochabamba, Manfred Reyes Villa, vorbeimarschiert. Das ist der Herr mit dem Schnauzer, der so freundlich schaut und winkt. Seine Anwesenheit brachte etwas Unruhe in die Menge, da sich immer Befürworter und Gegner der aktuellen Politik der Regierung finden und Manfred, so wird er hier nur genannt, ein Gegenspieler Evo Morales´ ist. Man hörte also Rufe, die seine Niederlage beim Referendum am Sonntag heraufbeschwörten und solche, die seinen Sieg verkündeten. Die allgemeine Anwesenheit von Militärs, welche ganz offen ihre großkalibrigen Waffen tragen, und eine große Menge an Security, haben wohl Angriffe oder Ausschreitungen verhindert, auch wenn die Stimmung eher fröhlich als gespannt war.
Zu Mittag gab es an diesem Festtag auch etwas besonderes: Kuhzunge! Sehr weich und leicht mehlig würde ich sie beschreiben, aber alles in allem ziemlich lecker. Mir wurde bei diesem Mittagessen übrigens auch verraten, dass ich vor einigen Wochen, als ich „Anticucho“ probiert habe -was heißt probiert, ich hab diese Leckerei verschlungen-, das Herz eines Stieres gegessen habe! Damals hatten Vicho, der Sohn von Elena und mein Freund, und seine Frau Carol (das ist die mit der Kuhzunge im Mund) wohl Angst, dass ich es nicht probieren würde, womit sie Unrecht gehabt hätten...