Donnerstag, 7. August 2008

Bolivientag einmal anders





Seit meiner frühesten Jugend -denn ich bin mittlerweile schon sehr, sehr alt- kenne ich Bolivientage. Das sind Treffen von Bolivianern, Freunden Boliviens, sowie Unterstützern. Man isst bolivianische Köstlichkeiten, unterhält sich und hört sich Vorträge an. Das habe ich jetzt jeden Tag, aber gestern war dennoch ein spezieller Bolivientag! Es war „Día de la patria“, also Tag des Vaterlandes. Im Vorfeld dieses Feiertages wurden in der ganzen Stadt Fahnen verkauft und die meisten Häuser haben sich auch mit den Landesfarben geschmückt. Der 06.08. ist ein arbeitsfreier Tag, an dem Paraden, so genannte „desfiles“, durch die Stadt ziehen. Es ist mit unserem Schützenfest vergleichbar, nur dass hier das Militär vorneweg marschiert und hinten drein keine Sportvereine kommen, sondern Schulen, traditionelle Vereinigungen und natürlich Spielmannszüge! Das Militär ist besonders herausgeputzt, wie man auf den Fotos sicherlich auch sieht und zu meiner Überraschung kam dann auch die singende Marine vorbei. Ja, Bolivien hat eine Marine. Die Bolivianer haben zwar den Titicacasee, aber es fehlt an einem Meerzugang. Früher, vor dem Salpeterkrieg gegen Chile und Peru, der von 1879-84 andauerte, hatte das Land noch einen Zugang zum Pazifik, da konnte man also noch Marine gebrauchen, aber heute ist nur noch durch Verträge geregelt, dass Bolivien einige Schiffe am Meer haben darf. Keine Flotte versteht sich und auch keine Kriegsschiffe -so jedenfalls mein Informant-, aber es reicht anscheinend, um die Marine zu erhalten. Unerwarteterweise waren die Militärs auch keine „Zwergenarmee“, so wie man sich das bei den Südamerikanern und Hochländlern der Anden vorstellen mag, sondern alles stattliche Jungs, die ganz unbolivianisch meist über 1,80m maßen. Es kam dann auch noch der Präfekt von Cochabamba, Manfred Reyes Villa, vorbeimarschiert. Das ist der Herr mit dem Schnauzer, der so freundlich schaut und winkt. Seine Anwesenheit brachte etwas Unruhe in die Menge, da sich immer Befürworter und Gegner der aktuellen Politik der Regierung finden und Manfred, so wird er hier nur genannt, ein Gegenspieler Evo Morales´ ist. Man hörte also Rufe, die seine Niederlage beim Referendum am Sonntag heraufbeschwörten und solche, die seinen Sieg verkündeten. Die allgemeine Anwesenheit von Militärs, welche ganz offen ihre großkalibrigen Waffen tragen, und eine große Menge an Security, haben wohl Angriffe oder Ausschreitungen verhindert, auch wenn die Stimmung eher fröhlich als gespannt war.
Zu Mittag gab es an diesem Festtag auch etwas besonderes: Kuhzunge! Sehr weich und leicht mehlig würde ich sie beschreiben, aber alles in allem ziemlich lecker. Mir wurde bei diesem Mittagessen übrigens auch verraten, dass ich vor einigen Wochen, als ich „Anticucho“ probiert habe -was heißt probiert, ich hab diese Leckerei verschlungen-, das Herz eines Stieres gegessen habe! Damals hatten Vicho, der Sohn von Elena und mein Freund, und seine Frau Carol (das ist die mit der Kuhzunge im Mund) wohl Angst, dass ich es nicht probieren würde, womit sie Unrecht gehabt hätten...

1 Kommentar:

Maria Lopez hat gesagt…

Tobias, Du steigerst Dich von einem Bericht zum Nächsten! Dein unnachahmlicher Schreibstil begeistert mich immer wieder.Mit diesem Artikel ist Dir mal wieder ein besonderer "Leckerbissen" gelungen. Einfach kööstlich!
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