Montag, 28. Juli 2008

Zu Besuch bei Jesus





Domingo, 27 de Julio, heute hab ich Jesus besucht. In der Mitte der Stadt auf dem Hügel „San Pedro“ steht die höchste Christus-Statue der Welt! Insgesamt 40,44m hoch, die Figur selber misst 34,20m und ist damit ca. drei Meter höher als ihr berühmtes Äquivalent in Rio de Janeiro. Was für ein Erlebnis, ich stand im Schatten Jesus´! Nicht, dass das eine neue Erfahrung für mich wäre, aber das Ganze nicht nur geistig, sondern auch körperlich zu erleben, ist doch noch mal etwas anderes. Er ist übrigens, wie man auf dem Bild auch sieht, erleuchtet, also von der Sonne! Und ein wenig strahlt in diesen pathetischen Momenten des Aufenthalts auf dem Hügel auch auf einen selber ab, denn man, oder zumindest ich, steigt mit einem besonderen Gefühl der Inspiration von ihm wieder herab... Aber zuerst stieg ich also auf zu Jesus, eine kleine Himmelfahrt, denn die Statue befindet sich 265m über der Stadt und 2840m über dem Meeresspiegel! Wer jetzt denkt, dass Jesus von irgendwelchen Schüssen durchlöchert wurde, der irrt! Denn das sind Gucklöcher, man kann in die Statue hinein und bis zwischen die Arme, die 32,87m auseinander sind, also in die Brust, nahe beim Herzen, aufsteigen. Teil des Aufstiegs ist übrigens eine der steilsten und lustigsten Treppen, die ich je gegangen bin: Für jeden Schritt eine neue Stufe, daher immer nur halbe Stufen! (Foto)
„Ha,“, werden jetzt die Nicht-Christen, Atheisten oder Blasphemiker sagen, „hab ich es doch schon immer gewusst: Jesus ist von innen hohl!“ Meine Antwort dazu ist: NEIN!!! Auf die Statue mag das zutreffen, auch mag es zutreffen, dass im Inneren des Sockels die Sponsoren der Figur ihre Gedenktafeln haben (ja, man konnte Jesus sponsorn), aber ansonsten ist höchstens die Aussage selber hohl. Ich erlebe hier eine ganz neue Art, mit meinem und in meinem Glauben zu leben. Nicht nur das ich hier fast ausschließlich von Katholiken umgeben bin, deren Vorkommen in unseren Breitengraden ja ziemlich begrenzt ist. Nein, es ist viel mehr. An jeder Ecke begegnet einem eine Marien-Figur, Kreuze oder Bilder anderer Heiliger. In den Trufis sind viele Aufkleber, die, zu dem Rosenkranz, der oft am Rückspiegel baumelt, einem etwas mitteilen und zum Nachdenken anregen. „Jeder Tag ist ein neues Geschenk Gottes“, „Wer Ohren hat, der höre! Wer Augen hat, der sehe!“, das sind nur zwei kleine Beispiele. In jedem Haus gibt es immer mehrere Bilder Heiliger und andere christliche Symbole. Die Gottesdienste, deren es sonntags vier gibt, sind alle immer voll. Es ist hier ein ganz anderes Teilnehmen. Der erste Unterschied sind vierseitige Din A4 Doppelbögen, die, zentral aus La Paz geschickt, den Gottesdienst jeder Kirche des Landes vorschreiben. Man kann die Texte der Evangelien mitlesen und auch die obligatorischen Antworten auf Gewisse Phrasen stehen darin, was besonders mir hilft, denn das Stimmengewirr und Genuschel meiner Mitbrüdern und -schwestern ist meistens nicht allzu leicht zu verstehen. Der Pfarrer begrüßte uns heute mit einem „Hola“, als von der Gemeinde nach einer kurzen Pause keine Antwort kam, setzte er noch ein „Buenas noches“ hinzu, das allgemein erwidert wurde. „Warum schaut ihr alle so böse und traurig, habt ihr euch etwa gestritten? Wir sind doch hier um uns an Gott, seinen Worten und unserem Gottesdienst zu erfreuen. Also zeigt mir diese Freude auch!“ so seine nächsten Worte, die mit einem verschmitzten Lächeln unterlegt waren. Padre Hugo, der mich vor meiner ersten Teilnahme an seiner Messe erst einmal begrüßt hat und mir erzählte, was ich noch alles zu trinken und zu essen hätte, so lange ich in Bolivien weile, ist ein ganz besonders leidenschaftlicher und rhetorischer fantastischer Prediger! Er nimmt sein Mikrofon und verlässt den Altarraum. Er stellt Fragen an die Gemeinde, womit er sichergeht, dass die Botschaft der Lesungen und des Evangeliums auch verstanden wurden. Er läuft durch die Kirche, während er predigt, was er mal sehr laut, mal sehr schnell, mal sehr leise und mal sehr langsam tut. Es ist ein Genuss ihm zuzuhören und jeder kann immer etwas für sich mit aus der Messe herausnehmen und somit versuchen seinen Glauben besser zu leben!
Aber eigentlich ging es ja um meinen Aufstieg zur Statue, den ich mit dem einzigen Gondel-Lift ganz Boliviens bewältigte. Die Treppen wollte Elena, meine Chefin (auch auf dem Foto zu sehen) nicht gehen, aber in den Genuss der 1399 Stufen werde ich sicherlich irgendwann anders noch einmal kommen. Der Ausblick von oben ist fantastisch, auf allen Seiten des Hügels breitet sich die Stadt bis zum Horizont oder bis zum nächsten Berg aus!
Ich fühle mich hier langsam wie ein Teil des täglichen Lebens. Nicht mehr als Fremder, für den alles neu und ungewohnt ist, sondern nehme mehr an allem teil. Ich merke, dass das hier jetzt mein zu Hause ist. Mein Land für das nächste Jahr, die Zeit rast....

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