Montag, 21. Juli 2008

Hasenfuß




Der 19. Juli, ein Tag von dem erzählt werden muss. Zuerst Kulinarisches! Anlässlich des 36. Geburtstages eines Sohnes der Familie, bei der ich wohne, waren wir essen. Bei den meisten Gerichten in Bolivien gibt es obligatorisch eine Suppe vorweg. So auch bei diesem Essen. „Gracias Señora“ sagte ich und schaute neugierig auf das vor mir Stehende. Ei, Kartoffel, Hühnerfleisch, Kräuter und gewiss noch einiges mehr waren darin. Das war aber noch nicht alles! Es schwamm, mehr oder weniger glücklich vor sich hin, noch eine weitere Zutat in der Suppe. Ungefähr 10cm lang und von etwas anderer Farbe als das Fleisch.....ein Hühnerfuß! Vier Zehen, die zwar vorn abgeschnitten waren, dennoch unverkennbar den „patito“ auszeichneten. Ich vergewisserte mich, dass das nicht nur Deko ist und nachdem mir ein anderer Geschmack, als der des „normalen“ Fleisches versprochen wurde, war ich kein Hasenfuß und aß den Hühnerfuß! Naja, von essen im Sinne von abbeißen, kann nicht die Rede sein, ich lutschte und nagte eher das bisschen Essbare vom Knochen. Jedem, der sich jetzt ekelt, sei versichert, dass der Geschmack, wie prophezeit, anders ist, als der des Fleisches, aber ist die anfängliche Skepsis gegenüber dem Unbekannten erst einmal überwunden, dann kann man doch davon reden, dass „patitos ricos son“! Auf den Fotos esse ich gerade "rosquete", eine Teigmasse mit Eiweißüberzug und "tumbo", eine leckere, süße Frucht, aus der auch viel Saft gemacht wird. Echter Saft, aus echten Früchten!
Am Nachmittag habe ich auf unvergessliche und einschneidende Weise zwei Gesichter Boliviens kennen gelernt. Ich ging gerade auf der Via America entlang, eine der großen vier-, je nach Verkehr und parkenden Autos auch mal sechs-spurigen Straßen, als ein Festumzug zu Ehren der „Virgen Carmen“ meinen Weg kreuzte. Schon von weitem war der Umzug zu hören, denn mehrere Kapellen mit dazugehörigen Tanzgruppen, bzw umgekehrt, kündigten sich somit lautstark an. Vorneweg fuhren einige Autos, die komplett mit rot-blau und vielen anderen Farben gestreiften Tüchern bedeckt waren und welche mit Puppen, kleinen Lama-Stofftieren, Kreuzen oder Blumengestecken geschmückt waren. Darauf folgten dann Gruppen von Tänzern. Schon die Kleinsten tanzten die traditionellen Schritte, die wie Tänze indianischer Rituale aussahen. Ich hoffe, dass das keine Regentänze waren (denn die Regenzeit kommt erst noch, so ab November, hab ich gehört)! Die Kostüme waren sehr bunt: rote oder schwarze, weite Seidenhosen, die mit goldenen und silbernen Pailleten bestickt waren; in der gleichen Manier muteten die Hemden an, doch das Auffälligste war, dass alle männlichen Teilnehmer, und das waren ca. 75%, einen recht steifen Umhang trugen. Dieser, ob grün, rot, schwarz oder bunt, war auch mit Pailleten geschmückt, die meist so etwas wie Drachen darstellten. Schillernd ging es zu und an gewissen Stellen der Tänze hoben die Männer dann ihre Umhänge und da diese mit durchsichtigem Plastik überzogen waren, hatten sie plötzlich eine sehr breite und hohe Gestalt, von hinten sehr eindrucksvoll zu betrachten! Bei den Schuhen ging es von Stiefeln über Sportschuhe bis hin zu Sandalen mit fünf cm hohen Absätzen (und diese trugen nicht die Frauen!). Die Kapellen bestanden aus einer kleinen Tuba-Variante, Trompeten und Trommlern. Ich kann dem Umzug das Prädikat „Augenschmauß“ verleihen, zum „Ohrenschmauß“ reicht es aber leider nicht. Die Musik diente anscheinend mehr der Unterstützung und Koordination der Tänze als, dass sie zusammen oder gerade sein musste, aber genau das schaffte eine ganz besonders lockere und impulsive Stimmung, denn laut waren die Musikanten allemal. Unvorbereitet wie ich war, hatte ich meine Kamera natürlich nicht dabei, aber das sei mir verziehen, denn ich verspreche ähnliche Fotos anlässlich anderer Feiern Heiliger nachzuliefern!
Auf dem Heimweg dann begegnete mir das andere Gesicht. Ein an einer Wand hockender, ca. 20 Jahre alter Junge, der wohl sonst um Geld bettelt, hatte den Kopf gesenkt und, die Hände zu einer Mulde geformt und an den Mund geführt, atmete tief ein. Er schnüffelte Kleber. Eine weit verbreitete Droge hier, wie ich mir habe sagen lassen. Kein 100 Meter weiter kommt mir beim Überqueren der Straße ein Junge entgegen, vielleicht 16, der in der Rechten einen Mop zum Autoscheibenwaschen hatte und mit der linken sein T-Shirt hob und ebenfalls tief einatmete, diesmal sah ich sogar die runde Klebertube. Und schwupps war ich zurück in der traurigen Realität Boliviens, die auf der einen Seite bunt und fröhlich ist und auf der anderen traurig, arm und düster!

1 Kommentar:

david santos hat gesagt…

Guten Abend.
Iche liebe diesen blog.
Danke.