Sonntag, 17. August 2008

Zu Besuch bei der Mutter Gottes


















Entgegen meiner Erwartungen und der meiner Gesprächspartner über politische Themen, ist die Lage in Bolivien ruhig, was mich in nicht unerheblichem Maße freut. Wurde noch vor dem Referendum vor einer Welle der Gewalt und einem eventuellen Bürgerkrieg gewarnt, so ist doch davon bisher kaum etwas zu hören oder gar zu spüren. Kleinere Zwischenfälle in denen es zu Auseinandersetzungen kam, waren bisher alles was passiert ist. Evo wurde mit überraschender Mehrheit gewählt und hat ca. 60% der Gesamtstimmen erhalten. Er hat die Wahl in fünf departamentos verloren und in vier gewonnen, dies allerdings mit klarer Mehrheit. Die departamentos der so genannten „media luna“ (Halbmondbundesländer), dieser Name wird aus der geographisch-astronomischen Form abgeleitet, die sie zusammen Formen, es sind die departamentos des östlichen Teils Boliviens, haben ihn nicht gewählt, sondern lediglich ihre prefectos im Amt bestätigt. Diese haben am Abend dieses Sonntags dann auch gleich verkündet, dass dieses Referendum endgültig gezeigt hat, dass die Autonomie, welche sie anstreben, nun endlich ausgerufen werden wird. Das ist der einzige Punkt an dem noch eine wirkliche Gefahr für eine weitere Destabilisierung des Landes durch Gewalt droht, zumal beispielsweise der prefecto von Santa Cruz Evo Morales als Mörder bezeichnet hat, womit er meint, dass Evo die Schuld an den Toten wegen politischer Auseinandersetzungen trägt. Die Zeitungen sind immer voll mit politischen Auseinandersetzungen der politischen Führer, ruhig ist die Lage nicht, aber sie scheint zumindest nicht mehr explosiv.



An diesem Wochenende war die „fiesta de Urcupiña“. Es ist eine Pilgerreise, der Menschen aus ganz Südamerika nachkommen und die direkt hier in Cochabamba stattfindet. Insgesamt kommen wohl 20000 bis 30000 Gläubige, um an dieser fiesta teilzunehmen. Auf einem Berg in der Nähe Cochabambas ist nämlich einem Mädchen die Mutter Gottes, die heilige Jungfrau Maria, erschienen. Am Donnerstag den 14. ging es mit einer „entrada“ los. Ein Straßenzug in Quillacollo (Dorf in der Nähe der Stelle wo sie erschienen ist) wurde mit Tribünen und Stühlen an den Seiten aufgebaut, durch welchen dann Musik- und Tanzgruppen des ganzen Landes gezogen sind, um typische und traditionelle Tänze zu präsentieren. Es waren ungefähr 25°C in der Sonne und auch auf den Tribünen, die mit Tüchern überspannt waren, also ein wenig Schatten boten, war es doch recht warm!! Die Tänzer trugen die wildesten Kostüme und haben geschwitzt wie die .... naja, wie sie halt geschwitzt haben. Bei den meisten Tänzerinnen bestand das Kostüm aus einem sehr kurzen Rock, andere Tanzgruppen, bestehend aus cholitas, trugen die typischen polleras in vielen Lagen. Ich weiß jetzt übrigens wo das Sprichwort „alles tanzt nach meiner Pfeife“ herkommt. Die Vortänzer der einzelnen Gruppen haben, um die Musik der Kapellen zu übertönen, Pfeifen benutzt, um die neuen Schritte anzukündigen!

Am Samstag dann war die „caminata“, sprich die Pilgerwanderung, die von Cochabamba in das 14km entfernte Quillacollo führt. Aber das ist nicht alles, denn bis zu dem Berg auf dem sie erschienen ist, sind es noch einmal 4km! Es war also um 2.30 Uhr aufstehen angesagt, damit man um 6.30 Uhr in Quillacollo ist, um dort die Messe zu hören, bei welcher die Leute Kerzen für ihre Familien und Freunde anzünden. Es war ein Gottesdienst unter freiem Himmel, da die gesamte „plaza“ vor der Kirche voll mit Menschen war. Danach gab es lecker „api con pastel“ zum aufwärmen, was ein recht zähflüssiges, zimtiges, heißes, süßes und nahrhaftes Getränk mit einer mit ein wenig Käse enthaltenden, frittierten Teigmasse ist, denn nachts werden es hier, es ist ja schließlich Winter, auch mal gerne 10°C. Als nächstes sind wir (ich und einige Freunde) auf den Berg geschlichen, was auf Grund der Menschenmassen nicht anders möglich war. Dort oben nehmen die Leute Steine mit, die als Talismane Geld repräsentieren, also das, was man im nächsten Jahr verdienen will. Aber auch kleine Autos oder Häuser werden dort errichtet und gesegnet, denn auch diese Wünsche soll die Jungfrau Maria den Gläubigen erfüllen. Einzige Bedingung: man muss alles, vor allem die Steine, im nächsten Jahr wiederbringen! Denn das Geld gilt nur als geliehen. Es werden auch Scheine verkauft: Bolivianos, Dollar und Euro, je nach dem, was man will. Der Wechselkurs war sehr gut und ich war gewillt mein Geld zu tauschen, immerhin hätte ich für einen Boliviano 2000$ bekommen!!! Alles sehr imposant und bewegend, da man eine gewisse Spannung und Freude in der Luft spürt, da alle Menschen mit der gleichen Idee an diesen Ort kommen und man den Glauben gewissermaßen zu spüren vermag. An „chicharron und chicha“ dem typischen Gericht Cochabambas, bestehend aus gebratenem Schwein und gegorenem Maissaft, kam ich an diesem Tag nicht vorbei....lecker!

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