Dienstag, 23. September 2008

Gringo





Letzten Sonntag, am 14.09., dem Gründungstag Cochabambas, bin ich mit meinen Freunden Vicho und Carol, sowie Tucho und Anita, nach Tolata gefahren, einem Dorf ca. 20min außerhalb Cochabambas. Vicho, seinerseits Bauingenieure, hatte dort eine Baustelle und der Auftraggeber hat ihn und seine Freunde zu einer Feier eingeladen, die in Tolata an diesem Tag anlässlich des Tages einer Jungfrau zelebriert wird. Nachdem wir an der Messe teilgenommen haben, die mal wieder etwas Neues bot, da ein Mann mit Uniform eines Soldaten und seinem Gewehr unter der Bank auch an diesem Gottesdienst teilgenommen hat. Wie sich hinterher herausstellte, war es eine Spielzeugwaffe, da der „Soldat“ an den traditionellen Tänzen, die nach der Messe stattfanden, mitwirkte und somit nur nicht aus seiner Rolle konnte.
Auf dieses recht einschneidende Erlebnis folgten noch zwei weitere schwerwiegende! Als wir auf dem Weg zu dem Hof waren, auf welchem die Feier des Bauherren stattfinden sollte, kam uns ein Mädchen von ungefähr vier oder fünf Jahren entgegen. Sie begrüßte uns einfach mit einem „hola chicos“ und fügte nach unserer Erwiderung, zur Überraschung aller, noch ein „hola gordo“ hinzu und boxte mir hierzu noch in den Bauch. „Gordo“ bedeutet „dick“....ich weiß noch immer nicht, was ich davon halten soll, denn eigentlich habe ich meine Figur und wohl auch mein Gewicht gehalten. Für den Rest gab es also was zu lachen und für mich zu denken! Wir gingen also auf den Hof und setzten uns. Sogleich kam der Kellner, ein Mitte 40-jähriger Mann der Landbevölkerung, was man ihm auch ansah. Eine geborene Frohnatur, die dazu noch angeheitert war und wohl vom Vortag noch abzubauen hatte. Seine ersten Worte, als er an unseren Tisch kam: „No queremos gringos!“ (Wir wollen keine Ausländer!) Dabei schaute er demonstrativ mich an. Meine Freunde widersprachen sofort und sagten, dass ich nur ein „choco“, ein „jovero“ sei (weiße Bolivianer, die durch spanische oder sonstige Vorfahren -denn der Großteil der Bevölkerung sind Mestizen, also Menschen mit indianischer und europäischer Abstammung, so wie mein Vater und ich letztendlich auch ein wenig-). Er fragte mich also, wo ich herkomme, meine Antwort, dass ich aus Cochabamba sei, glaubte er mir aber nicht und fragte daher nochmal. Dies war übrigens das erste Mal, das ich als „gringo“ bezeichnet wurde, ansonsten sagen alle „choquito“ zu mir. Anita wurde also schwach und bevor ich meine Antwort wiederholen konnte, platzte sie mit: „Él es aleman“ heraus. Der Kellner schaute mich an, nahm Haltung an, reckte den rechten Arm und rief laut und vernehmlich: „Heil Hitler“. Meine Kinnlade fiel herunter und ich war erstmal still. Er verstand nicht ganz, er glaubte wohl, dass das immer noch so üblich sei in Deutschland und auf seine Frage was los sei, antwortete ich nur: „Du beleidigst mich!“ Nach dieser harten Konfrontation deutscher Geschichte, verbrachten wir trotzdem einen wunderbaren Nachmittag auf der Feier und tranken das Nationalgetränk Boliviens: „Chicha“. Das ist gegärter Maissaft. Diese chicha war ausgezeichnet, auch wenn es die erste war, die ich je getrunken habe, aber diese Meinung teilten auch meine Freunde. Mit Musik und Tanz wurde also bis zum Einbruch der Dunkelheit, was so um halb oder viertel vor sieben ist, der Tag verbracht.
Unterdessen ging in dieser gesamten Woche der „Dialog“ zwischen Regierung und den prefectos der departamentos weiter. Ein Dialog, in dem keiner auch nur einen Zentimeter zurückweicht, aber auch keiner -bisher zumindest- aufgibt. Evos Hauptziel ist immer noch das Gesetz für ein Referendum für seine neue Konstitution bis zum 1.10 durchzubringen, dies muss jedoch von den prefectos unterschrieben werden. Er gab gestern, am 21.09., eine Pressekonferenz im Sitz der sechs Föderationen der Coca-Bauern, deren Präsident er immer noch ist, auf der eine Erhöhung des Drucks der „sozialen Bewegungen“ (Zusammenschlüsse von indigenas und campesinos (Coca-Bauern) beschwor, sollte sein Vorschlag zu diesem Gesetz nicht bis zum 1.10 angenommen werden. Diese Bewegungen sind stark bewaffnet und angeblich von der Regierung bezahlt, ernährt, ausgerüstet und bedroht, denn marschieren sie nicht mit, so wie derzeit auf Santa Cruz, werden ihre Felder verbrannt und Ähnliches. Die sozialen Bewegungen drohen also auch mit einer Radikalisierung ihrer Mittel und dem Einmarsch nach Santa Cruz, während die „unión juvenil cruceñista“ die Bevölkerung Santa Cruz´ auffordert, sich zu bewaffnen, um die Stadt zu verteidigen. Man kann die Probleme auf die Schlagworte „Nueva Constitución vs. Autonomía“ oder „Ideen Evos vs. reiche und ihre eigenen Interessen durchsetzen wollende Bewohner der östlichen departamentos“ reduzieren. Los prefectos sind nun nicht an der Ablehnung des Referendums interessiert sondern besonders an internationalen Beobachtern, welche die Einschreibung der Menschen vor den Wahlen, die Ausgabe und Kontrolle von Ausweisen und das zivile Registrierungssystem überwachen sollen. Denn bei dem Referendum im August, haben wohl Menschen mehrfach oder gar verstorbene Personen gewählt....

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