Donnerstag, 11. September 2008

Wo beginnt der Bügerkrieg?



Am vergangen Sonntag, dem 07.09, fand hier in Cochabamba der in Bolivien einzigartige „día del peatón“ (Tag des Fußgängers), was man mit einem autofreien Sonntag vergleichen kann, statt. Sieht man sonst kaum Fahrräder auf den Straßen, so waren an diesem Tag alle auf ihren Drahteseln unterwegs. Ich vermisse mein Fahrrad schon, aber hier ist es einfach viel zu gefährlich mit einem Zweirad auf den Straßen zu fahren. Die kaum beachteten und immer individuell ausgelegten Verkehrsregeln, gefährden die Radfahrer viel zu sehr, zudem fehlt ihnen eine Hupe, mit der sie auf ihr Dasein hinweisen könnten. Die Innenstadt war also an diesem sonnigen Tag mit Spielen, Musik, weiteren Shows und jeder Menge Fressbuden ausgestattet worden. Man sah sogar Reiter, die mit ihren Tieren die Straßen für sich beanspruchten.

Ist in Cochabamba bisher noch alles sehr ruhig und friedlich -die Stadt bereitet sich gerade auf die Feier ihres Gründungstages vor, der am 14.09 ist-, so kann man jedoch von einer ruhigen und friedlichen Lage des Landes nicht sprechen! Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen MAS-Anhängern und MAS-Gegnern, erschüttern besonders in dieser Woche die Bevölkerung und bestimmen die Nachrichten. Kern der Konfrontationen ist die neue Konstitution Evos, die den wirtschaftlich erfolgreichen „departamentos“ ihren Wohlstand abnehmen und sie vor allem zu Gunsten der indigenen Bevölkerung aufteilen will. In Pando, Tarija und Santa Cruz finden die Auseinandersetzungen statt, die schon 8 Tote und an die hundert Verletzte gefordert haben. Das Volk, sowohl „campesinos“ (Bauern und zugleich meist MASistas) und MAS-Gegner, ist bis an die Zähne bewaffnet! Dabei handelt es sich nicht nur um Stöcke und Steine, sondern auch immer mehr um Schusswaffen, denn dem Kasernen wurden überfallen und die Waffenlager geplündert. Plünderungen finden in jenen departamentos immer häufiger statt, man kann von einer sich selbst regierenden Bevölkerung sprechen, denn die Regierung hat keinerlei Kontrolle mehr über das Geschehen. Gas und Benzin gehen aus und so kam es heute Abend, am 11.09, beim Blick aus meinem Zimmerfenster zu der Szenerie auf dem Foto. Lange Schlangen vor den Tankstellen, da sowohl Gas und Benzin abgestellt wurden. Nach ca. 1,5 Stunden löste sich der „Stau“ dann auf, da es kein Benzin mehr gab. Evo, der scheinbar nur seine neue Konstitution im Sinn hat, für die er jetzt auch ein neues Referendum am 07.12 durchgesetzt hat, setzt nicht auf den von allen Seiten geforderten und angesprochenen Dialog, sondern verschärft die Lage mit der Aussage: „Die Geduld hat Grenzen“. Er bezieht sich dabei auch auf die Einnahme öffentlicher Einrichtungen und Institutionen in den unkontrollierbaren departamentos. Gleichzeitig schmeißt er den Botschafter der USA aus dem Land und riskiert somit die bilateralen Beziehungen zu den USA, die als Reaktion auch den bolivianischen Botschafter als unerwünschte Person deklariert haben. Des weiteren verändert er sein Kabinett, damit seine „Visionen“ und „Ideen“ schneller durchgesetzt werden können und nimmt den departamentos eine wichtige Steuer ab, die IDH (Direkte Steuer auf Hydrocarbonate), was einen weiteren Streitpunkt zwischen Zentralregierung und departamentos darstellt. Die Reaktion der prefectos der departamentos, die komplett blockiert sind und langsam Mangel an Nahrungsmittel und anderem leiden, ist das Zuschieben der Schuld auf Evo und die MAS (Partei: Movimiento al Socialismo).

Alle reden von der Gefahr eines Bürgerkrieges, aber hat der nicht schon längst begonnen?! Das Volk steht sich in zwei Lagern verfeindet und bewaffnet gegenüber. Es gab Tote und es sieht nicht nach einer schnellen Lösung der Konflikte aus, denn Chavez, Präsident Venezuelas und Verbündeter Evos, hat das Aussenden von Truppen nach Bolivien angekündigt, um einen zivilen Putsch zu verhindern! Die Situation verschärft und verschlimmert sich weiter und so wie es aussieht wird schon recht bald etwas Großes passieren, sei es ein richtig ausbrechender Bürgerkrieg oder die Intervention des Militärs, das derzeit versucht die Lage zu beruhigen. Ich hoffe für Bolivien, dass Lösungen gefunden werden, aber die zwei Lager sind verfestigt und festgefahren. Das Schlimme dabei ist, dass das Volk leidet, denn durch die Straßenblockaden fehlt es an Obst, Fleisch, Mehl und somit Brot, Huhn und vielem Anderem. Noch ist zwar, zumindest in Cochabamba nichts ausgegangen, aber die Preise sind schon gestiegen. Die Kirche wird aufgefordert, für Frieden zu sorgen, aber welche Möglichkeiten hat sie schon, außer weiterhin die friedlichen Botschaften Gottes der derzeit dafür tauben Bevölkerung zu predigen?! Auch als Kriegsdienstverweigerer hoffe ich, dass sich die Auseinandersetzungen nicht auf das ganze Land ausweiten, denn die Folgen wären, wie bei jedem Krieg, verheerend. Wirtschaftlich, aber vor allem menschlich!!

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