Freitag, 5. September 2008

Living la vida loca



Ich fühle mich wohl! Das kann ich mit Bestimmtheit sagen. Es ist ein ganz anderes Leben hier und ein ganz anderer Rhythmus, aber der missfällt mir keineswegs, sondern ich habe mich unerhört schnell an ihn gewöhnt und ihn adaptiert. Zeit spielt hier beispielsweise nur eine untergeordnete Rolle. Ich bin kein „Sklave meiner Armbanduhr“ mehr, so wie man, wenn man mal genauer hinsieht, das Leben als Bürger in Deutschland bezeichnen könnte. Lädt man hier ein, so kommen die meisten Gäste sicherlich erst 30-60 Minuten später. Nicht, dass das eine als hervorragend hervorzuhebende Eigenschaft der Südamerikaner sei, aber der Umgang mit Zeit ist einfach lockerer. So hetzt man auch nicht beim Essen, um dann zu einer Verabredung zu gehen oder unterbricht eine spontane Konversation mit einem Bekannten, den man in der Stadt getroffen hat, nur um pünktlich jemanden abzuholen, mit dem man etwas Trinken gehen will. Schaut man sich aber den Straßenverkehr hier an, so ist der Eindruck des Langsamen der Zeit sofort dahin. Nichts kann hier schnell genug gehen, also auf den Straßen. Wildes Gehupe und neue Höchstgeschwindigkeitsrekorde in der Innenstadt sind nicht die Ausnahme. Gehupt wird übrigens nicht nur, wenn gerade eine schöne Frau auf dem Bürgersteig entlang flaniert, sondern auch an jeder Kreuzung, denn derjenige, der zuerst ankommt, hupt und sagt somit: „Ich hab jetzt Vorfahrt, komme was da wolle!“ Anders als in Deutschland ist auch, dass wenn gehupt wird, nicht gleich zehn andere Fahrer beleidigt sind. Es ist an der Tagesordnung und an den Lärm, den das Hupen und die unzähligen Alarmanlagen an den Autos, die ca. eine Minute dauern, die lautesten, wildesten und schrillsten Töne haben, die man sich vorstellen kann und gefühlt alle fünf Minuten anspringen, verursachen, muss man sich auch erstmal gewöhnen.
Das Klopapier hier in Südamerika -ja, ich schrecke nicht vor diesem Thema zurück!- ist rosa. Immer und überall. Also ein Paradies für Rosa-Fetischistinnen und Fetischisten (falls es solche gibt). Es wird auch nicht ins Klo geworfen, wie bei uns üblich, auch wenn man nicht darüb er spricht, sondern in einen neben der Schüssel stehenden Mülleimer. Geruchstechnisch lässt es sich so lange aushalten, wie der Eimer auch einen Deckel hat...
Kommen wir zum Nationalgetränk der Deutschen: BIER! Ich werde hier gefragt, ob wir in Deutschland auch Bier trinken....hmmm, ich muss den Bolivianern mit ihren siebenBieren im ganzen Land erst einmal erklären, dass die Bierbrauerei im Bereich Deutschlands schon bei der Entdeckung Südamerikas so alt war, wie das Mittelalter selbst und das schon die Römer „cervisia“(hoch lebe Asterix) kannten. Sowie, dass die Tradition des Biertrinkens bei uns soweit geführt hat, dass ein regelrechter Wettstreit aller Regionen und Dörfer in unseren Landen ausgebrochen ist, wer das leckerste Bier zu bieten hat. Die Frage nach der Menge unserer Biersorten beantworten ich meistens aus Unwissenheit nicht....aber wer weiß schon wie viele Biere es in Deutschland gibt?!Die politische Lage ist wieder in Schwung geraten. In Beni und Santa Cruz gibt es gewalttätige und zum Teil bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen „masistas“ (Parteianhänger Evos; MAS = Movimiento al socialismo) und den Autonomiebefürwortern. Die Regierung hat nun beschlossen, diese departamentos zu blockieren. Die Konflikte sind deshalb ausgebrochen, da Evo mit „decretos“ also Beschlüsse, die ohne das Parlament, sondern nur durch den Präsidenten durchgesetzt werden, seine neue Konstitution in einem neuen Referendum am 7.12. bestätigen lassen will. Man liest häufig in der Zeitung von decretos die Evo erlassen hat, zu den verschiedensten Dingen, die Quintessenz, die man aus den politisch beeinflussten und nur mit Vorsicht zu genießenden Medien herauslesen kann ist, dass sich Bolivien auf eine Diktatur zu bewegt, denn mit Sozialismus hat das, was hier erlassen wird, wenig zu tun....

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