Donnerstag, 30. Oktober 2008

Reisefieber







































Reise
Am Mittwoch Abend, den 22.10.2009, machte ich mich in einer „flota“, einem Überlandbus, auf den Weg nach La Paz. Zweck der Reise war die Verlängerung des Visums von Marina und Nicole, meiner beiden freiwilligen Mitarbeiterinnen aus Deutschland bei Warmi. Als wir am Morgen, nach acht Stunden trotz Liegesitzen für mich schlafloser Fahrt, in La Paz ankamen, fielen wir direkt hinten über. KALT!!! Wir, an das warme Klima gewöhnte, Cochabambiner mussten sogleich erstmal einen Tee trinken, um nicht zu erfrieren. Die Höhenkrankheit, auch „sorojchi“ genannt, befiel uns übrigens zu keinem Zeitpunkt der Reise, obwohl wir in La Paz und am Titicacasee auf 3800m und zeitweise sogar auf über 4000m waren. Sogleich suchten wir uns eine weitere Flota nach Copacabana am Titicacasee, denn von dort aus ist es nicht mehr weit zur peruanischen Grenze. Auf dem Weg durch das Altiplano, das uns wirklich beeindruckt hat, denn auf 3800m ein so riesiges, unermessliches, bewirtschaftetes Plateau zu finden schien uns höchst merkwürdig. Es ging also drei Stunden bei gefühlten 10°C an Lehmhütten mit Strohdächern, Eseln und Ebene vorbei. Auf dem Platz neben mir, hatte es sich eine ältere „cholita“ (traditionell gekleidete Frau) gemütlich gemacht. Wir verstanden uns auf Anhieb und so bat sie mir Bananen und ich ihr Brot an. Als dann ein junger Mann, der Wissensheftchen verkaufte, in die Flota kam, bat sie um eines, um es sich anzuschauen. Der Herr vergaß dies aber, worauf sie kess zu mir meinte: „Ich zahle jetzt einfach nicht!“ Nach einem Auflachen konnte ich ihr nur sagen: „Ich werde sie schon nicht verraten, keine Angst.“ Sie begann also in aller Seelenruhe Cocablätter zu kauen, bis er den Bus verließ.
Copacabana
Einmal in dem idyllischen Copacabana angekommen, lag der gesamte Nachmittag vor uns. Wir bestiegen also den Calvario-Hügel, dessen Spitze sich auf über 4000m befindet, was nicht ganz einfach war, denn man bekam die Höhe gut zu spüren. Gespräche im Gehen? Unmöglich! Selbst bei langsamen Gehen nicht aus der Puste zu kommen? Auch unmöglich! Einen ruhigen Puls behalten? Am unmöglichsten! Aber es war die Mühen wert, denn war man erst einmal angekommen, so konnte man einen mehr als fantastischen Ausblick genießen! Großartig, riesig, blau und faszinierend, so würde ich den See beschreiben, der eine derart ruhige Atmosphäre erzeugt, dass man den ganzen Tag dort oben verbringen könnte. Die vom Vatikan heilig gesprochene „schwarze Madonna“ in der örtlichen Kirche war gar nicht so schwarz, wie erwartet, aber bei einem Alter von 500 Jahren ist das wohl zu verzeihen oder vielleicht hat sie sich im Laufe der Zeit nur für eine Farbe entschieden, die derjenigen der Dorfbewohner ähnlich ist – ein verbranntes, tiefes Braun. Nun war eine Bootsfahrt zur „Isla del Sol“ gemacht, ein mit viel Mythologie der Inka behafteter Ort. Ein über 10000 Jahre alter Tempel einer Kultur weit vor den Inkas, der „sede del Inka“, wunderschöne Ausblicke, ein paar tiefe Züge aus der „fuente del Inka“ (Inkaquelle) der Weisheit und das Herabsteigen der „escalera del Inka“ (Inkatreppe) standen auf dem Programm. Zum „fuente del Inka“ gibt es drei verschiedene Zuflüsse, aus denen sie gespeist werden und somit wird auch unter der Quelle der Liebe, der Quelle der Weisheit und der Quelle der Jugend unterschieden. Unerklärlich war mir jedoch, warum es aus der Quelle der Liebe nur tröpfelte, während das Wasser aus den anderen beiden Quellen nur so herausschoss. Liebt der Inka nicht oder macht die Liebe bei ihnen gerade eine Pause? Man weiß es nicht. Zurück in Copacabana besuchten wir den „mercado de artesania“ (Kunsthandwerkmarkt), aßen „trucha“ (Forelle) aus dem Titicacasee, sowie riesiges Popkorn, das aus einem speziellen Mais hergestellt wird und dort an jeder Straßenecke feilgeboten wird.
La Paz
Zurück in La Paz, kamen wir nicht nur bei unseren befreundeten Freiwilligen Hanna und Franzi unter, sondern konnten uns auch erstmals ein richtiges Bild dieser riesigen Stadt machen. Laut, hupend, schreiend, riesig, hoch, tief, lang, verwirrend, verrückt, arm, reich, hoch gebaut, bunt, schräg, steil, schnell, eng, voll, kalt, vielfältig, wild, kriminell und nicht so lecker wie Cochabamba, so würde ich sie beschreiben. Der höchste und tiefste Punkt der Stadt liegen 500m auseinander, es ist ein Gewirr von Straßen, die Schuhputzer verstecken ihre Gesichter unter Mützen (einige meinen der Anonymität wegen, andere meinen, sie hätten Kleber zum Schnupfen darunter), in den Trufis gibt es Schreihälse, die ankündigen wo es für wie viel hingeht (was eigentlich nicht nötig ist, denn die Route steht auch vorne dran), die Häuser sind wie an den Berg geklebt und in manchen Straßen hängen Puppen mit ausgekratzten Augen an Laternen, die zeigen sollen, was mit den Dieben, denn sie werden nur nach Einbrüchen aufgehängt, geschieht, wenn man sie findet....In La Paz erlebte ich auch meinen ersten richtigen Regen in Südamerika, aber freuen konnten ich mich darüber nicht wirklich. Ein weiterer Freiwilliger, der Tarek, führte uns nach „El Alto“ den höchsten und ärmsten Teil der Stadt, um uns eine einmalige Aussicht zu bieten. In dem Straßen- und Menschengewirr wurde ich aus heiterem Himmel ins Gesicht gespuckt und nachdem meine erste Handbewegung zum Gesicht ging, so ging die zweite doch gleich zu meiner Bauchtasche und dem Rucksack, den ich Nicole abgenommen hatte. Dieses Ablenkmanöver zum Klauen ist hier sehr beliebt und da wir mit vielen „gringos“ unterwegs waren, stellten wir auch zugleich ein schönes und eventuell ertragreiches Ziel dar. Es kam jedoch nichts weg und außer einer gewissen gefühlten Aggressivität und plötzlichem Misstrauen meinerseits gegenüber allen Passanten, sind wir heil zum Aussichtspunkt gekommen, der wirklich alle Anstrengungen wert war, dort hinaufzuklettern. Ein unglaublicher Ausblick auf die Lichterstadt der Nacht bot sich uns, bis, ja bis wir in einer Wolke vergingen, denn sie schlich sich von links heran und überfiel uns hinterrücks. Nach nur fünf Minuten war die gesamte Aussicht dahin.
Valle de la luna
Ein Tagesausflug führte uns dann noch in das Mondtal nahe La Paz. Ein Ort voller verwitterter, poröser und durch Erosion geformter Steine, die einer Mondlandschaft wirklich nicht unähnlich sehen, auch wenn die Bolivianer daraus mit viel Fantasie etwas mehr gemacht haben, denn die Gesteinsformationen sollen Frauenhüte, Gesichter guter Opas, Teufelszähne, Schildkröten oder Ähnliches darstellen, was aber nur mit einer gehörigen Portion Vorstellungs- oder Einbildungskraft möglich ist. Nichtsdestotrotz war es trotz Nieselregens wie zu guten alten Zeiten in Deutschland, ein interessanter Trip.
Auf der Rückfahrt nach Cochabamba konnten wir dann Bolivien im Hagel und mit seiner atemberaubenden Landschaft bewundern. Das Beste nach der Reise war jedoch, endlich wieder den Christus in der Mitte Cochabambas zu erblicken und sein warmes Klima wieder genießen zu können.






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